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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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Scheidungsmühle, hatte die paar Rubel genommen. Doch die Hochzeit fand in unserer Wohnung statt. Braut und Bräutigam lachten und weinten unter dem Trauhimmel. Am Sabbat darauf spazierten Mann und Frau Arm in Arm auf der Krochmalnastraße, begleitet von ihren Kindern. Entsetzen befällt mich, wenn ich bedenke, was passiert wäre, wäre, Gott bewahre, der Mann ein Kohen gewesen …

Ein Bräutigam und zwei Bräute

    Die Tür ging auf, und zwei Männer und zwei Frauen traten ein. Drei von ihnen kannte ich. Einer war ein Schreiber, der in unserem Hof wohnte, ein Mann, der als Heiliger galt. Es hieß von ihm, er gehe jedesmal, bevor er den Namen Gottes schrieb, in die Mikwe. Um eine Mesuse zu schreiben oder einige Toraabschnitte für einen Satz Gebetsriemen, brauchte er Tage oder Wochen. Leider war er bettelarm. Armut sprach aus seinem bleichen, faltigen Gesicht; seine gelbliche Stirn glich liniertem Pergament. Sein Bart war grau und schütter; die Schläfenlocken hingen in Zotteln herab. Tiefe Frömmigkeit glühte in seinen Augen. Dieser Mann war ein Zaddik, ein Gerechter, der seinen Schöpfer nicht einen Augenblick lang vergaß. Er lebte beständig in Not, befolgte die Gebote und tat gute Werke. Vater erhob sich, sobald er ihn erblickte, so wie man vor einem großen Rabbi aufsteht. Vater sagte oft, dieser Schreiber habe stets den Namen Gottes vor Augen. Er schien uralten Zeiten entsprungen zu sein.
      Der Schreiber war Witwer. Seine Tochter, eine vierzigjährige alte Jungfer, begleitete ihn. Sie war untersetzt, füllig, mit milchweißem Gesicht und großen Kuhaugen. Sie schielte und war noch dazu halbblind. Sie führte dem Schreiber den Haushalt. Ach, weh über ein solches Wirtschaften! Sie wohnten in einer Dachkammer. Der Schreiber fastete ständig, und sein Kaftan war an allen Ecken und Enden geflickt. Sein bestes Kleidungsstück war der Gebetsmantel.
      Die andere Frau kannte ich auch. Sie war lang, dürr und schwarz wie eine Kohlenschaufel. Sie arbeitete bei dem Bäcker in der Krochmalnastraße 12 und stand oft mit einem Korb Brötchen vor dem Laden. Auch sie war vierzig und galt als Närrin und Einfaltsliese.
      Der zweite Mann war um die Sechzig, mit angegrautem runden Bart. Er trug eine Schirmmütze, wie man sie bei den einfachen Leuten sieht, und eine kurze Jacke, die voller Kleckse und Kleisterflecken war. Ich kannte ihn nicht. Er sah aus wie einer, der Säcke klebte.
      Nachdem Vater dem Schreiber einen Stuhl angeboten hatte, fragte er ihn, wie es ihm gehe, und der Schreiber erwiderte: »Gepriesen sei Gott.« Bei diesen Worten zitterte und bebte er. Es war nichts Geringes, den Schöpfer der Welt zu erwähnen, Ihn, der Himmel und Erde geschaffen hatte! Es schien, als wäre der Mann wie eingehüllt in heilige Texte.
      »Was kann ich für Sie tun?«
      Wie sich herausstellte, waren die vier wegen einer Din-tora, eines rabbinischen Urteils, gekommen, und Kläger war niemand anderes als der Schreiber. Dies war die Geschichte:
      Der arme Schreiber wollte seine Tochter unter den Trauhimmel bringen, und da war dieser Sechzigjährige aufgetaucht. Der Schreiber hatte einen Verlobungsvertrag aufsetzen lassen, dem Mann ein paar Rubel Mitgift zugesagt, und die Verbindung war beschlossen. Doch was war das Ergebnis? Es stellte sich heraus, daß der Mann noch eine andere Verlobte hatte, und zwar die schwärzliche alte Jungfer, die beim Bäcker arbeitete. Der Schreiber wollte den anderen Mann, den Verlobten seiner Tochter, nicht demütigen, Gott bewahre. Er beschuldigte und verteidigte ihn gleichzeitig. Kern seiner Äußerungen war, daß dieser Mann geirrt hatte und zur Gesetzesübertretung verführt worden war. Doch Irrtümer müssen berichtigt werden, und darum forderte der Schreiber, die andere Verlobte müsse zurücktreten und seine Tochter dürfe, Gott bewahre, nicht gedemütigt und zum allgemeinen Gespött gemacht werden. Man merkte, daß der Schreiber schrecklich durcheinander war. Er stammelte und schwebte in ständiger Angst, ihm könnte ein Wort entschlüpfen, das man nicht sagen durfte, und er könnte, Gott bewahre, unabsichtlich den anderen Mann beschämen. Gottesfurcht hing über dem Schreiber gleich einem Schwert, denn jedes böse Wort konnte die Höl lenfeuer und Abgründe der Unterwelt auf einen Menschen herabbeschwören.
      Nachdem der Schreiber geendet hatte, ergriff die schwärzliche alte Jungfer das Wort. »Rabbi«, sagte sie mit heiserer Stimme, »ich kenne diesen Mann nicht und kenne

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