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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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Lahme schluchzte bitterlich, kniff sich das verquollene Gesicht, rang die Hände. Was sie erzählte, zerriß uns das Herz. Sie war Waise, sagte sie, hatte weder Vater noch Mutter. Ihr Leben lang hatte sie als Dienstmädchen bei anderen Leuten gearbeitet. Er hatte sich mit sanften Reden und süßen Worten an sie herangemacht. Er liebe sie, hatte er gesagt. Er werde sie auf Händen tragen. Sie werde für immer die Krone seines Hauptes sein. Wie hätte sie ahnen können, daß das alles nur Schmeichelei und Täuschung war? Sie hatte ihm geglaubt, weh ihren Sinnen! Sie hatte ihm alles gegeben, was sie hatte, bis auf den letzten Groschen. Nach der Hochzeit war er ein paar Tage lang engelsgut zu ihr gewesen. Sie war glücklich, im siebten Himmel. Dann war er auf einmal abgehauen, dieser Mörder, Henker, dieser gemeine Hund, dieser Abtrünnige! Er hatte ihr alles gestohlen. Selbst das Haarband, das sie zur Trauung getragen hatte. Sogar die Geschenke, die er selber ihr gemacht hatte, sogar ihr Hochzeitsgewand. Er hatte sie nackt und bloß zurückgelassen … O Mutter! Er war nach Amerika, war jenseits des Meers, am anderen Ende der Welt! Und nun war sie eine verlassene Frau, eine unglückselige, trostlose Agune! Wäre es nicht besser, sie läge als Tote mit den Füßen in Richtung Tür und mit Scherben auf den Augen?
      Die Frau schrie, jammerte, fluchte, und die Nachbarn fluchten mit. Sie häuften auf diesen Scharlatan alle Verwünschungen, Plagen, Geschwüre, Ekzeme und Gebrechen, über die das Warschauer Jiddisch verfügte. Mutter stand weiß wie ein Leintuch da mit dem Ausdruck tiefsten Mitleids in ihren blauen Augen. Ein Rätsel war gelöst, aber ein ganzer Stoß neuer Fragen war über sie hereingebrochen: Wie hatte diese junge Frau ihm glauben können? Und vor allem, wie konnte ein junger Mann, der so nett und feinfühlig zu sein schien, ein solches Mörderherz haben? Wußte er nicht, daß sie Waise war? Sah er nicht, daß sie leider Gottes ein gebrochener Krüppel war? Wie niedrig und gemein vermochte ein Mensch zu sein? Welche Gedanken gingen diesem bösen Menschen durch den Kopf, während er nachts den Ozean überquerte? Wie konnte er schlafen, nachdem er so bitteres Unrecht verübt hatte? Wie konnte man die eigene Seele so besudeln? Wehe, wie mächtig ist der böse Trieb!
      Später kam Mutter in das Gerichtszimmer und erzählte Vater die ganze Geschichte. Er erblaßte und brachte lange kein Wort heraus. Schließlich bemerkte er: »Ja – und? So geht es eben, wenn man nicht an den Schöpfer glaubt!«
      Er drehte sich um und schaute zur Heiligen Lade, die immer hinter einem Vorhang verborgen war. Zwei kleine Löwen mit offenen Mäulern und zierlichen Zungen saßen auf den Randleisten, und zwischen ihnen waren die beiden Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten. Den ganzen Tag verkündeten diese Tafeln: Ich bin der Herr dein Gott … Du sollst nicht töten, Du sollst nicht stehlen, Du sollst nicht ehebrechen, Du sollst nicht begehren …
      Wer immer diese Stimme nicht vernimmt, lebt in einer gesetzlosen Welt, einer Welt des absoluten Chaos.

Wäre er ein Kohen gewesen

    Die Tür ging auf, und eine barhäuptige Frau stürzte herein. Es geschah selten, daß eine Frau mit unbedecktem Kopf zu uns kam; selbst diejenigen, die sonst barhaupt herumliefen, legten sich ein Taschentuch über, bevor sie eintraten. Doch diese Frau war offensichtlich zu erregt, zu aufgewühlt, um an irgend etwas anderes denken zu können als an ihre Schmach und Schande. Sie war mittelgroß, ziemlich mollig, mit gerötetem Gesicht und aschblondem Haar, das sie im Nakken zu einem Knoten zusammengefaßt und mit Haarnadeln festgesteckt hatte. Die Frau war früher sicher eine Schönheit gewesen, aber jetzt sah sie ungepflegt, verbittert und wütend aus. Schon in der Küche fing sie an zu zetern.
      »Er ist ein Mörder! Ein Räuber! Ich halt es nicht mehr aus! Ich will die Scheidung! Die Scheidung!«
      Mutter kannte sie offenbar. Sie wohnte uns gegenüber in der Krochmalnastraße 15. Unter Ausrufen und Verwünschungen beschrieb sie, was ihr Mann, dieser Abschaum von Mensch, dieser Lump, ihr antat. Er unterhielt seine Familie nicht, er schaute seine Kinder nicht an, er hockte tage lang in der Kneipe in der Krochmalnastraße 17, wo er mit Schlägern und liederlichen Weibsbildern herumsoff. Aber was er kürzlich angestellt hatte, ging entschieden zu weit. Das könne sie nicht mehr ruhig hinnehmen. Das werde sie nicht einmal vergessen haben, wenn

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