Ein bretonisches Erbe
hat.“
„Na, die werden sich freuen“, meinte Yuna nur halb so heiter, denn obwohl sie natürlich gerne mit Julien nach Le Ro fuhr, bedrückte sie inzwischen immer mehr ihr schlechtes Gewissen.
„Lass mir eine kleine Bedenkzeit“, bat sie darum, stand auf, machte sich rasch fertig und ging die paar Schritte zum Strand hinunter. Da schlenderte sie barfuß am Meeressaum entlang, sammelte ein paar Muscheln und zog dann das Handy aus der Jackentasche. Entschlossen wählte sie die Nummer ihrer Mutter. Das musste jetzt sein.
„Wo bist du?“, war deren erste Frage. „Wir dachten du bist in An Triskell . Yannik ist extrem wütend auf dich… Wieso bist du nicht hier?“
Yuna verstand gar nichts.
„Hier? Was meinst du mit hier? Wo seid ihr denn? Ich bin an der Pointe du Raz und wollte mich jetzt eigentlich auf den Rückweg nach Deutschland machen.“
Die Antwort ihrer Mutter fiel knapp und überraschend aus: „Wir sind natürlich in Opas Haus in Le Ro. Wir dachten, du wärst hierher gefahren.“
Yuna musste amüsiert schmunzeln. Das war mal wieder typisch für ihre Mutter. Hatte sie es nicht geahnt, dass die sich sofort hinter das Lenkrad werfen und ihrer Tochter nachjagen würde?
„Und Yannik ist bei dir?“
„Wundert es dich? Er will das Motorrad holen, sein Freund macht ihm die Hölle heiß, wenn er es nicht schleunigst zurück bringt.“
Das war Yuna durchaus bewusst, aber dass Yannik nun selber hier war, eröffnete ganz neue Perspektiven.
„Gut“, sagte sie, um das Gespräch rasch zu beenden und keine weitere Zeit zu verlieren. „Ich finde es großartig, dass ihr da seid. Ich fahre gleich los und bin am frühen Nachmittag in Le Ro. Alles Weitere besprechen wir dann, ja?“
Ihre Mutter stimmte zu, doch als Yuna gerade auflegen wollte räusperte sie sich und fragte mit etwas belegter Stimme: „Und äh… die Urne?“
Yuna musste nun wirklich lachen.
„Die bringe ich mit!“
4
An Triskell
Jedes Jahr kam sie mit ihrem Vater nach der Bretagne zurück – aber nur im Sommer wie die Badegäste. Dann fand sie ihre Kindheitserinnerungen wieder…
Lachlustig und aufgeregt, aber im Grunde doch beklommen, empfand Gaud etwas wie Angst bei dem Gedanken, dass dies Land nun für immer ihre Heimat sein soll
Pierre Loti, Islandfischer
Julien hatte die Lage mit seinen Freunden geklärt. Sie nahmen sein Sportgepäck und das Surfbrett mit nach Paris, wo er mit zwei von ihnen in einer Studenten-WG lebt
„Nicht mehr lange“, hatte er betont, als Yuna ihn verwundert anschaute, denn mit seinen 30 Jahren wirkte er, anders als Yannik, wirklich nicht mehr wie ein Student. „Im Wintersemester bin ich fertig und bekomme dann hoffentlich bald meine Approbation als Arzt.“
„Du willst Arzt werden?“, hatte sie erstaunt ausgerufen, denn bei ihrem romantischen Jugendfreund hätte sie eine solche Berufswahl eher nicht vermutet. Weltenbummler, Tiefseetaucher, Ballonfahrer waren damals seine Favoriten gewesen. Auch ihre und sie hatten sich manche Stunde, in den Felsen hockend, mit dem Blick auf das Meer vorgestellt, wie sie zusammen die Welt und das wirkliche Leben entdecken würden.
Aber der Arztberuf war ja auch eine schöne Aufgabe und wer weiß, Ärzte ohne Grenzen arbeiteten schließlich in der ganzen Welt…
Julien borgte sich einen Rucksack von einem Kumpel, in dem er das Nötigste für ein paar Tage Aufenthalt bei seinen Großeltern verstaute und bestieg dann hinter Yuna gut bepackt das Motorrad.
„Du musst fahren“, hatte er gleich gesagt, „ich bin bisher nur Beifahrer gewesen und das auch äußerst selten.“
Yuna schluckte, denn sie wiederrum hatte, außer ihrer Freundin Edith, noch nie einen Beifahrer auf dem Motorrad gehabt, und die damit verbundene Verantwortung, ließ sie zögern. Würde sie überhaupt die Kraft besitzen, die an sich schon schwere Maschine mit der Last zweier Menschen sicher zu lenken?
Julien bemerkte ihr Zaudern.
„Irgendein Problem?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, es wird schon gehen“, sagte sie in der Absicht ihre Sorgen einfach zu ignorieren, fügte dann aber doch ehrlich hinzu: „Ich hatte selten einen Beifahrer, äh, mit Gepäck und weiß wirklich nicht, ob meine Fahrkünste dafür ausreichen…ich…äh… würde gerne sicher in Le Ro ankommen.“
Julien hätte das Problem nun mit einer flapsigen Bemerkung wegwischen können, aber er schien durchaus an seinem Leben zu hängen und es darum ernst zu nehmen.
„Okay“, schlug er also vor. „Wir testen
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