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Ein Dämon macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Dämon macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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riskieren würde, hätte ich ihn gefragt.
    »Ja, das kann's nicht sein«, sagte ich stattdessen.
    »Sie hat nach Pferden gefragt«, erklärte er. »Vielleicht hat sie sich eines besorgt und ist die Straße hinuntergeritten?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich überprüft. Sie ist nicht fortgeritten. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich da drüben hinsetze und warte?«
    »Keineswegs«, antwortete der Mann und griff nach einem Glas. Bevor ich mir auch nur eine Ausrede ausdenken konnte, um ihn aufzuhalten, hatte er mir schon ein weiteres Glas von seinem Karottensaft eingegossen.
    »Geht auf mich«, sagte er und ließ das Glas über den Tresen auf mich zugleiten. »Aber wenn Sie Ihre Freundin sehen, dann sagen Sie ihr, dass sie mir noch eine Überraschung schuldet.«
    »Vertrauen Sie mir«, sagte ich. »Wenn sie eine Überraschung verspricht, liefert sie immer.«
    Er hatte ja keine Ahnung, wie viel Wahrheit in diesen Worten lag.
    Der Mann strahlte mich an, und ich nahm das Glas Karottensaft, ging zu einem Tisch und setzte mich so, dass ich zum Fenster hinaussehen konnte. Die Schatten wurden inzwischen immer länger, und die Hitze zog sich von der Hauptstraße von Evade zurück. Wie es schien, waren die Nächte in dieser Gegend ziemlich kalt. Schon aus dem Grund war ich froh, nicht zu der Klippe zurückgekehrt zu sein.
    Ganz abgesehen von der Lese, was immer das war.
    Ich nippte an dem Karottensaft, um wenigstens den ärgsten Durst zu stillen. Dann lehnte ich mich zurück und beobachtete die wenigen Leute, die noch draußen auf der Straße unterwegs waren. Sie alle schienen etwas zu tun zu haben. Zielstrebig gingen sie ihrer Wege und tippten sich an die Hüte, wann immer sie einem Mitbürger begegneten.
    Eine Stunde später hatte ich beinahe die Hälfte meines Karottensaftes hinuntergewürgt.
    Mein Wirtfreund sah ein wenig besorgt aus, und die Schatten reichten beinahe ganz über die Straße. Ich überlegte, dass mir bis zum Sonnenuntergang nicht viel mehr als eine halbe Stunde blieb.
    »Ich fürchte, ich muss jetzt schließen, wissen Sie«, sagte der Mann, nachdem er einige Male hinter seinem Tresen auf- und abgegangen war. »Haben Sie für heute Nacht schon eine Koje?«
    Ich nahm an, dass Koje etwas mit schlafen zu tun hatte, und antwortete: »Nein. Darüber habe ich mir noch nicht allzu viele Gedanken gemacht.«
    Schockiert gaffte der Mann mich an. Es war, als hätte ich ihm gerade erzählt, ich hätte seine Mutter ermordet. Sein Mund öffnete sich, klappte wieder zu und öffnete sich erneut, aber kein Ton kam heraus.
    Eines der Gebäude im Stadtkern trug ein Schild mit der Aufschrift Hotel Evade. Das schien mir eine gute Ausflucht zu sein.
    »Hab mir gedacht, ich komme in dem Hotel unter. Die werden doch sicher noch freie Zimmer haben.«
    Der Wirt schien erleichtert. »Davon bin ich überzeugt«, sagte er. »So lautet das Gesetz.«
    Er lachte, und ich lachte mit ihm, obwohl ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wovon er gesprochen hatte.
    »Danke für den Saft«, sagte ich, ließ das Glas über den Tisch zu ihm gleiten und erhob mich. »Ich schätze, es ist spät genug, und ich sollte langsam gehen.«
    Meine Ankündigung, seine Bar zu verlassen, brachte seine gute Laune zurück.
    »Ich bin sicher, Ihre Freundin wird auch ein Dach über dem Kopf gefunden haben«, sagte er eifrig. »Vielleicht ist sie schon in dem Hotel. Wenn Sie sie morgen sehen, bringen Sie sie doch zum Frühstück her.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein«, erwiderte ich. »Und Sie bekommen Ihre Überraschung.«
    Er lachte.
    Ich lachte.
    Dann trat ich auf den Gehsteig hinaus. Hinter mir schlug der Wirt die Tür zu und legte den Riegel vor. Er verrammelte die Tür, als fürchtete er den Überfall einer ganzen Horde von Halsabschneidern, die ihm die Tür aufbrechen würden. Gleich darauf krachten auch die Fensterläden auf der Innenseite der Fenster zu.
    Die Schatten zogen sich lang über die Straße, und nirgends war noch ein Mensch zu sehen. Jedes Fenster war verrammelt, jede Tür verschlossen. Die Musik, die aus den wenigen Lokalen erklungen war, war nun tiefer Stille gewichen, die sich wie ein Vorbote der Dunkelheit in der Stadt ausgebreitet hatte. Mein Magen verkrampfte sich, nicht von dem bisschen Karottensaft, sondern vor Sorge. Etwas Bedeutsames geschah des Nachts in dieser Dimension. Ich wusste nicht, was es war, aber es war etwas, das dafür sorgte, dass in dieser Stadt sämtliche Türen verriegelt wurden und alle Leute

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