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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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ins Haus zurückzulaufen. Denn alles in ihr sträubte sich dagegen, ihren Hausfrieden gegenüber einem Wildfremden wortreichdurchsetzen zu müssen, um ihn anschließend zum Teufel zu jagen. Doch ihr Bein tat einen Schritt nach vorn, und sie rief in das Halbdunkel der Garage: »Kommen Sie da raus!«
    ***
    Er musste an seinen Vater denken, das Schwein, sah den Alten vor sich, wie er im weiß gekachelten Keller mit dem grünen Gummischlauch, den er eines Tages von der Arbeit mit nach Hause gebracht hatte, auf ihn einschlug, wieder und wieder, weil er etwas angestellt hatte. Bis das Keuchen des Alten sein eigenes Winseln übertönte und er Angst bekam, der alte Drecksack könne jeden Moment umkippen und für immer liegen bleiben. Doch wer würde ihm dann am Abend die Berichte aus der Bildzeitung vorlesen? Wer ihm die Spiegeleier machen, deren Augen er regelmäßig lustvoll mit dem Messer einstach, indem er sich die blutenden Augäpfel seiner Sonderschullehrerin Frau Sobottka vorstellte? Die Mutter lag wegen ihrer geschwollenen Beine um diese Zeit schon im Bett, und ihr Stöhnen war bis weit nach Mitternacht zu hören. Und wer würde ihn verdreschen, wenn er mal wieder dabei erwischt worden war, wie er einen Zigarettenautomaten aufbrach oder ein Moped klaute? Die Mutter bestimmt nicht. Die schaffte es mit ihren kranken Beinen und ihrem kaputten Kreuz ja kaum noch, ihre halbvolle Einkaufstasche nach Hause zu tragen. Oder sein älterer Cousin Hermann, der Schwachkopf, der bloß seinen Scheißfußball im Kopf hatte? Der sollte bloß kommen und so was auch nur versuchen.
    Einmal hatte der Vater ihm, nachdem er ihn verdroschen hatte, mit vor Anstrengung zitternder Hand ungeschickt das verklebte Haar aus der Stirn gestrichen, dabei atemlos gegrinst, als hätten sie gemeinsam etwas vollbracht, und beinahe kumpelhaft gesagt: »Verfluchter Verbrecher, du.«
    Seit der Beerdigung vor vier Jahren war er nicht mehr auf dem Friedhof in Brauck am Grab gewesen. Sollten doch die Köterdrauf scheißen. »Verdammter Schläger«, murmelte Rösner und steckte sich eine Zigarette an. »Verdammtes Prügelschwein.«
    »Was sachste?«, erwiderte Marion und nippte nervös an ihrem Kaffee.
    »Ach, nix«, antwortete Rösner und blies den Zigarettenrauch zwischen den Zähnen hervor, »nur so.«
    Seine erste Begegnung mit dem Verbrechen hatte er als Neunjähriger gehabt. In einem Zeitschriftenladen in Gladbeck-Butendorf hatten sie zu zweit Süßigkeiten und Superman-Heftchen und später, an einer nicht weit davon entfernten Bushaltestelle, einer alten Frau ihr Portemonnaie aus der Handtasche geklaut. Die Geldbörse warfen sie weg und von den erbeuteten 38 Mark kauften sie sich Zigaretten, Plastikfeuerzeuge, Chips und zwei Literflaschen Cola. Als er auf dem menschenleeren Hof der Roßheideschule neben der alten Turnhalle mit den Glasbausteinwänden seinen ersten Lungenzug machte, wurde ihm schwindelig, er hustete und hätte fast gekotzt. Doch weil er vor seinem zwei Jahre älteren Freund Harry nicht als Versager dastehen wollte, probierte er es noch mal. Beim dritten oder vierten Zug hustete er nicht mehr, und das Gefühl, kotzen zu müssen, war auch weg.
    Als er am Abend nach Hause kam und seine Mutter sagte: »Du stinkst nach Rauch, verdammtes Aas. Wo bist ’n wieder gewesen?«, da hatte er bloß die Augen gerollt und geantwortet: »Wir ham im Roseneck Musikbox gehört. Was dagegen?«
    Damals war er neun gewesen, und als er fünf Jahre später seine erste mehrmonatige Haftstrafe in der Jugendarrestanstalt Bottrop in der Gerichtsstraße absaß, hatte er bereits Dutzende von Einbrüchen, zahllose Diebstähle und ebenso viele Schlägereien hinter sich. Auf seinen für sein Alter erstaunlich muskulösen und bereits von Narben gezeichneten Armen prangten erste schlecht gemachte Tätowierungen, und in Gladbeck-Ellinghorst war Hans-Jürgen Rösner inzwischen so bekannt wie ein bunter Hund.
    Sein Einbruch ins Bürgerhaus in Gladbeck-Ost, bei dem er von zwei betrunkenen Polizisten in Zivil zufällig auf frischer Tat erwischt wurde, war längst ebenso legendär wie sein nächtlicher Einstieg in die Geschäftsstelle der FDP Gladbeck. Denn frustriert darüber, dass er bis auf ein paar Flaschen Weißwein und eine Handvoll Werbegeschenke, Fähnchen, einen Prozentrechner und eine Tüte blau-gelber Kugelschreiber nichts von Belang erbeutet hatte, war er tags darauf noch an Ort und Stelle gefasst worden, weil er in der Nacht, statt über die Treppe zu verschwinden,

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