Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
Vom Netzwerk:
die andere in die Scheiße schreiben.«
    »Ich verbiete Ihnen, hier so zu reden«, rief sie. »Was fällt Ihnen ein? Verschwinden Sie auf der Stelle aus meinem Haus!«
    »Ist ja gut«, sagte er breit grinsend und machte eine abwehrende Geste, blieb aber beharrlich sitzen.
    »Gehen Sie jetzt bitte«, sagte sie. Doch so, als hätte er ihre Aufforderung überhaupt nicht gehört, sagte er: »Über was schreibt Ihr Journalist denn so?«
    »Martin war, ich meine, er ist Kriegsberichterstatter, wenn Sie es genau wissen wollen. Und jetzt verlassen Sie bitte mein Haus.« Seine beharrliche Weigerung, ihrem Wunsch Folge zu leisten und zu verschwinden, machte sie langsam nervös. »Hören Sie, ich habe noch zu tun, also wenn Sie jetzt bitte gehen könnten, ja? Das wäre wirklich sehr nett.«
    Er schien ihre wachsende Ratlosigkeit zu spüren. »Kriegsberichterstatter, aha«, sagte er und fuhr sich gravitätisch übers behaarte Kinn. »Über welche Kriege schreibt er denn so?«
    »Libanon, Gaza, Äthiopien. Frage beantwortet?« erwiderte sie, riss die Kühlschranktür auf, nahm eine Wasserflasche heraus und warf die Tür krachend wieder zu.
    »Das sind doch alles beschissene Lügner«, ereiferte sich Boris und kratzte sich zwischen den Beinen. »Von wegen journalistische Wahrheit. Was die da gerade über die beiden Geiseltypen in Bremen schreiben. Drehen Sie mal das Radio an. Für die sind die doch bloß Abschaum. Die sind doch alle korrupt. Von der Stasi oder vom Verfassungsschutz oder der CIA bezahlt, umden Laden hier mal ’n bisschen aufzumischen und die richtigen Feindbilder am Laufen zu halten! Alles eine Frage von, na, Sie wissen schon, Kohle!« Er rieb Daumen und Zeigefinger demonstrativ gegeneinander.
    Brigitte spürte, wie vor Wut ihre Oberlippe zu flattern begann. Sie knallte die beschlagene Wasserflasche auf den Küchentisch und rief: »Jetzt hören Sie mir mal genau zu, Sie verdammter Klugscheißer! Ohne Leute wie meinen Mann würden Sie gar nicht wissen, was da unten im Libanon überhaupt los ist. Oder dass in Äthiopien Hunderttausende in einem sinnlosen Krieg sterben. Oder meinen Sie vielleicht, Reporter wie mein Mann fahren da zum Spaß runter? Um sich ein paar Wochen lang die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen? Oder um ein bisschen Krieg mitzuerleben, weil sie grad nichts Besseres zu tun haben? Oder weil sie lebensmüde sind? Ganz bestimmt nicht. Also reden Sie, verdammt noch mal, nicht so über Leute, die ihr Leben für die Wahrheit aufs Spiel setzen! Die es sich zur Aufgabe gemacht haben, über das zu berichten, was andere verschweigen oder vertuschen. Und die für Glaubwürdigkeit kämpfen und sich der Realität stellen. Sie dagegen hocken wochenlang in meiner Garage, saufen billigen Fusel und halten hier große Reden! Fahren Sie doch mal runter nach Beirut. Oder nach Somalia, wenn Sie den Mut dazu haben. Na los! Nur zu, Sie Großmaul!«
    An dieser Stelle ging ihr die Puste aus. Erschöpft drehte sie die Flasche auf und trank von der eiskalten Flüssigkeit. Doch da holte er auch schon zum Gegenschlag aus.
    »Das müssen Sie grade sagen. Wochenlang setzen Sie keinen Fuß vor die Tür, dabei tobt der Krieg, von dem Sie da so großspurig reden, direkt vor Ihrer Haustür. Da draußen. Tag für Tag. Doch Sie, Sie sitzen hinter runtergelassenen Rollläden zwischen Ihren bunten Büchern und tun so, als ginge Sie das alles nichts an. Aber Sie sind ja ’ne Künstlerin oder so was und halten sich schon für eine Wohltäterin, bloß weil Sie einen wie mich mal unterIhre Gartendusche lassen und ihm Rührei machen. Vor Ihrer Tür könnte einer tot umfallen, und Sie würden’s nicht mal merken! Und was da in Bremen läuft, davon haben Sie natürlich auch keinen Schimmer. Und Ihr sogenannter Kriegsreporter sicher auch nicht, weil er ja gerade wieder in Somalia rumschnüffeln muss. O Mann, Sie kotzen mich vielleicht an!«
    Er machte mit der Hand eine wegwerfende Geste und lehnte sich zurück. Da packte sie die Flasche am Hals und riss sie drohend in die Höhe, so dass Wasser herausspritzte und auf den Boden lief. »Raus jetzt! Raus! Aber sofort! Und morgen früh sind Sie verschwunden! Andernfalls hole ich die Polizei!«
    Ein paar Sekunden lang sah er sie verächtlich an. Dann erhob er sich provozierend langsam, stieß den Stuhl bewusst so kräftig nach hinten, dass er polternd umfiel, und sagte: »Wie Sie wollen«, drehte sich um und ging.
    Nachdem er verschwunden war, saß Brigitte noch lange in ihrer Küche, trank

Weitere Kostenlose Bücher