Ein Dicker Hund.
hinunter zum Motorrad genommen hatte. Ihm war so, als hätte genau in diesem Moment jemand angerufen ... Nein, es war etwas passiert. Er probierte es am anderen Ende der Reise. Hatte er die Aktentasche damals dabeigehabt? Er erinnerte sich noch genau an das Päckchen, das wie ein Schuhkarton aussah und wohl ebenfalls Geld enthalten hatte. Wenn das stimmte, hatte er die Aktentasche bestimmt auch mitgenommen. Und sie mußte immer noch in Onkel Victors Haus sein. O Gott, er mußte dorthin und ... Miss Middens Eintreffen unterbrach seinen Gedankengang. »Haben Sie schon einen Nachnamen?« wollte sie wissen. »Bright. Ich heiße Timothy Bright. Hören Sie, können Sie mir meine Kleidung holen?«
»Nein«, antwortete Miss Midden. »Sie sind nackt gekommen, und nackt werden Sie bleiben, bis ich herausfinde, warum und mit wem Sie gekommen sind und was genau vorgefallen ist. Sie können mit dem Handtuch Ihre Blöße einigermaßen bedecken.«
»Aber hier kann ich nicht bleiben. Das heißt, ich weiß nicht, wer Sie sind und wo ich bin, und es ist furchtbar wichtig, daß ...« Er verstummte. Mehr durfte er dieser Frau nicht verraten. Nicht einmal seinen Namen hätte er ihr sagen dürfen. »Was ist so furchtbar wichtig?« erkundigte sie sich. »Gar nichts«, sagte Timothy Bright trotzig. »Und genau das kriegen Sie zum Frühstück«, sagte Miss Midden, ging hinaus und verriegelte die Tür.
Timothy Bright stand auf und sah durch die Gitterstäbe auf das offene Hochland. Niemand war zu sehen. Ein paar Schafe grasten neben dem Damm einer stillgelegten Eisenbahnstrecke, die sich auf einer leichten Steigung bis zu einer bläulichen Hügelkette am Horizont hinzog. In weiter Ferne glitzerten die Sonnenstrahlen auf dem Wasser des Stausees, doch dieser Anblick löste in seinem Gedächtnis nichts aus. Statt dessen war eine andere Erinnerung aufgetaucht. Sie hatte irgend etwas mit Onkel Benderbys Yacht zu tun ... O Gott, das in Packpapier gewickelte Päckchen, das er nach Spanien hätte bringen sollen. Während die – allesamt recht schauderhaften – Erinnerungen an die Oberfläche stiegen, wurde Timothy Bright fast bewegungsunfähig. Wenigstens war er hier, in diesem Raum, im Augenblick sicher. Er wollte nicht nachdenken. Er legte sich auf das blutbefleckte Federbett und versuchte zu schlafen. In seinem Büro im Polizeipräsidium schob der Chief Constable den Bericht über die Ereignisse vom Wochenende beiseite und überlegte, wie er wohl das Thema des anonymen Anrufs über das Middensche Bauernhaus anschneiden konnte, ohne Verdacht zu erregen, er stamme von ihm selbst. Offenbar war es unmöglich, es sei denn ... Er ließ den Leiter des Dezernats für Schwerverbrechen kommen.
»Äh, Rascombe«, sagte er, »großartiger Umtrunk Samstag abend. Gratuliere. Habe mich köstlich amüsiert. Gab es noch mehr Probleme mit den Medien?«
»Dank der Saphegie-Brüder kümmern sie sich nicht mehr um unsere Angelegenheiten, Sir.«
»Die Saphegie-Brüder? Sind die wieder im Geschäft? Ich dachte, die hätten beschlossen, sich eine Atempause zu gönnen«, sagte der Chief Constable.
»Oh, sie pausieren immer noch, Sir. Halten sich präzise an den Zeitplan. Aber so wie die Presseleute nun mal funktionieren, dachte ich mir, ich gebe ihnen den Puddley-Mord, an dem sie sich festbeißen können. Damit ihnen nicht bloß unsere kleine Sache durch die Köpfe geht.«
»Aber die Saphegies hatten doch mit der Puddley-Sache gar nichts zu tun«, sagte der Chief Constable, bemüht zu begreifen, was der Inspector meinte.
»Das ist es ja, Sir«, klärte ihn Rascombe auf. »Es juckt die überhaupt nicht, wenn die Presse das glaubt. Ist ihrem Ruf förderlich. In ihren Kreisen zählt es was, wenn man mit einem richtig üblen Mord in Verbindung gebracht wird. Ich hab mich vorher mit ihnen unterhalten. Sie waren mehr oder weniger einverstanden.«
»Sehr entgegenkommend, das muß ich zugeben«, sagte der Chief Constable.
Rascombe grinste. »Wie sagt man so schön, Sir: Es gibt keine schlechte Publicity.«
Sir Arnold Gonders schwieg. Nie war ihm die Absurdität dieser Redewendung so deutlich geworden wie in diesem Augenblick. Doch wenn die Saphegie-Brüder, die sich auf die Eintreibung von Schulden spezialisiert hatten, aber auch mit Schutzgelderpressung befaßt waren, in der Öffentlichkeit gern mit dem Batteriesäuremord an einer ganzen Familie in Verbindung gebracht werden wollten, war das ihre Sache. Bei Sir Arnold lag der Fall genau umgekehrt. Irgendwie mußte
Weitere Kostenlose Bücher