Ein diebisches Vergnügen
und seinem drahtlosen Kommunikator huldigte.
»Es tut mir leid, Sie unterbrechen zu müssen«, sagte Sam. »Aber ich bin so gut wie fertig.«
Der Anwalt setzte seine Andachtsübung aus, runzelte die Stirn und hob irritiert den Blick von dem Miniaturbildschirm. »Und? Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gelangt?«
»Erstens, Ihre Sicherheitsvorkehrungen stinken zum Himmel. Ich könnte das Schloss an dieser Tür mit einer Nagelfeile knacken. Warum haben Sie kein separates Alarmsystem für den Keller installieren lassen? Das war ein großer Fehler. Aber wie auch immer, jetzt ist es für solche Maßnahmen ohnehin zu spät. Die Polizei hat Ihnen vermutlich mitgeteilt, dass die Täter Profis waren.«
Sam machte eine kurze Pause, und der Anwalt zog abermals sein elektronisches Gehirn zu Rate.
»Im Falle einer Straftat sollte man bei den Ermittlungen niemals die naheliegenden Schlussfolgerungen außer acht lassen, bis sie sich eindeutig als falsch erwiesen haben.« Roth hielt den Blick immer noch gesenkt, doch Sam fuhr ungerührt fort. »Fest steht, dass es einen Komplizen in Ihrem Haus gab. Fest steht auch, dass Rafael Torres spurlos verschwunden ist und dass Sie sich zum Zeitpunkt des Diebstahls in Aspen aufgehalten haben. Das sind Fakten, Mr. Roth, und ein misstrauischer Mensch würde die naheliegende Schlussfolgerung daraus ziehen.«
Endlich steckte Roth das Blackberry in seine Tasche. »Und die wäre?«
»Vielleicht haben Sie den Aufenthalt in Aspen als Alibi benutzt und die Straftat nur vorgetäuscht – den Diebstahl Ihres eigenen Weines in Auftrag gegeben und dem Verwalter Schweigegeld gezahlt, damit er von der Bildfläche verschwindet; dann können Sie die Versicherungssumme kassieren und in aller Ruhe die Beweismittel vernichten, mit dem größten Vergnügen und Schluck für Schluck.« Sam zuckte die Achseln und lächelte. »An den Haaren herbeigezogen, ich weiß. Aber es ist meine Aufgabe, jede nur erdenkliche Möglichkeit in Betracht zu ziehen.« Er griff in seine Tasche. »Bitte sehr, meine Visitenkarte. Ich melde mich bei Ihnen, um Sie auf dem Laufenden zu halten, sobald es etwas Neues gibt.« An der Tür blieb er stehen. »Ach, übrigens. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich den Cabernet Sauvignon ziemlich bald trinken. Der Jahrgang 1984 beginnt erste Anzeichen von Altersschwäche zu offenbaren.«
Sam empfand beinahe Mitleid mit Roth, als er sich diesen gelungenen Abgang verschaffte. Aber nur beinahe.
Kurz nach seiner Ankunft in Los Angeles hatte Sam den Auftrag erhalten, dem sogenannten Impressionistenring auf die Spur zu kommen, einer Gruppe hochkarätiger Kunsthändler, die täuschend echte Fälschungen von Monets, Cézannes und Renoirs auf den Markt brachten. Im Zuge seiner ersten völlig gesetzeskonformen Tätigkeit hatte Sam eng mit der Polizei von Los Angeles in Gestalt des eindrucksvollen Lieutenants Bob Bookman zusammengearbeitet. Er war ein Mann, der für sein Leben gerne aß, was unverkennbar war. Doch dank seiner stattlichen Größe war das Gewicht gut verteilt, ein Eindruck, der noch von einer selbst auferlegten
Kleiderordnung unterstützt wurde, gegen die er nie verstieß: großzügig geschnittener schwarzer Anzug, handgestrickte schwarze Seidenkrawatte und weißes Hemd. Eine Garderobe, die er als Bestattungsunternehmer-Kluft bezeichnete.
Seine Beziehung zu Sam begann vielversprechend, als sie das beidseitige Interesse am Wein entdeckten, und sobald der Kunstfälscherfall abgeschlossen war, machten sie es sich zur Gewohnheit, sich alle paar Wochen zu einem gemeinsamen Abendessen zu treffen, wobei sie abwechselnd das Restaurant und den Wein auswählten. Dabei handelte es sich keineswegs um eine geschäftliche Besprechung, doch es blieb nicht aus, dass ein gewisses Maß an Klatsch und Tratsch aus der Unterwelt ausgetauscht wurde. Diese Abende erwiesen sich für beide Männer als ein ebenso angenehmes wie fruchtbares Arrangement.
Bookman reagierte auf Sams Anruf mit dem üblichen Knurren, das seinen Überdruss an der Welt kundtat.
»Booky«, sagte Sam. »Ich brauche deinen messerscharfen Verstand, aber ich werde die Prozedur angenehm für dich gestalten. Ich habe vor, heute Abend eine Flasche Bâtard-Montrachet zu entkorken, und hasse es, alleine zu trinken. Was sagst du dazu?«
»Könnte interessant sein. Welcher Jahrgang?«
»2003. Um sechs im Chateau?«
»Stell ihn nicht zu kalt.«
Kurz nach sechs stand Bookman auf der Schwelle von Sams Suite. Er hatte einen harten Tag
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