Ein diebisches Vergnügen
sehe. Wie geht es dir?«
Bei ihrem Anblick fühlte er sich wie ein Onkel, der einer seiner Lieblingsnichten über den Weg läuft. Er verspürte diese onkelhaften Anwandlungen neuerdings ziemlich oft und nahm es als deutlichen Hinweis, dass er älter wurde. »Kate, was machst du denn hier? Hast du Zeit für eine Tasse Kaffee? Oder ein Glas Champagner? Wie schön, dich zu sehen.«
Noch immer lächelnd, schob sie mit dem Handrücken eine dicke Strähne ihrer dunkelbraunen Haare aus der Stirn, eine Geste, zu der sie, wie er sich erinnerte, immer dann Zuflucht nahm, wenn sie krampfhaft nach einer Antwort suchte. Doch bevor sie die Chance hatte, den Mund aufzumachen, ergriff Sam ihren Arm und lotste sie zu einem Tisch im Schatten. »Übrigens, ich habe gerade erst an dich gedacht und mich gefragt, wie es dir ergangen sein mag.«
»Sam, du hast dich keinen Deut verändert. Immer noch derselbe Sprücheklopfer.« Aber sie lachte und nahm Platz.
Beim Kaffee erzählte sie ihm von ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Filmindustrie, die sie ins Chateau geführt hatte, zu einem Treffen mit einem unerklärlich gut erhaltenen weiblichen Star, einer Diva, die sich anschickte, die Werbetrommel für ihren neuesten Film zu rühren. Zur Kampagne gehörten auch Flüge in einem Privatjet zu den Premieren in New York, London und Paris, zusammen mit ihrer Haarstylistin, ihrer Ernährungsberaterin, ihrem Bodyguard, acht Koffern mit Garderobe und ihrem derzeitigen Ehemann. Wie Kate es ausdrückte: Die Dame reiste mit leichtem Gepäck, im Hollywoodstil (»Es gehört nicht einmal ein Psychiater zu ihrem Tross«). Sam war froh, dass Kate diesen Zirkus mit einem gesunden Mangel an Respekt betrachtete.
Als es an Sam war, einen Lagebericht über sein Leben zu liefern, erzählte er von dem Roth-Auftrag und stellte überrascht fest, dass sie bereits mit einigen Einzelheiten vertraut war. Richard, ihr Mann, der ebenfalls in bescheidenerem Ausmaß zu den Weinsammlern zählte, hatte den Fall mit großem Interesse verfolgt.
»Fast alle Weinfreaks in Amerika haben den Artikel in der Los Angeles Times gelesen«, sagte Kate. »Vielleicht hat einer von ihnen den Coup gelandet. Oder Roth war es selbst. Warum auch nicht? In L.A. sind noch seltsamere Dinge passiert.«
Diese Theorie schien weit verbreitet zu sein. »Möglich wäre es«, erwiderte Sam. »Obwohl er die Rolle des Opfers ziemlich glaubwürdig spielt. Aber es könnte natürlich sein, dass es sich um eine bühnenreife Inszenierung handelt. Wie auch immer, streichen kann ich ihn nicht von der Liste der Verdächtigen.« Er zuckte die Achseln. »Genauer gesagt, es befindet sich ohnehin nur ein Name darauf, nämlich seiner.«
»Hast du deine Fühler schon in anderer Richtung ausgestreckt?«
»Wohin zum Beispiel?«
»Keine Ahnung. Europa? Hongkong? Russland? Amerika ist nicht das einzige Land mit Kriminellen, die eine gute Flasche Wein zu schätzen wissen.« Kate trank ihren Kaffee aus und blickte auf ihre Uhr. »Ich muss los.« Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. »Du musst bald einmal zum Abendessen zu uns kommen. Du hast Richard noch nicht kennengelernt. Er wird dir gefallen.«
»Die reinste Tortur. Ich würde mich den ganzen Abend fragen, warum du mich nicht geheiratet hast.«
Kate musste unwillkürlich lächeln. »Ganz einfach, du Kindskopf. Du hast mir nie einen Antrag gemacht.«
Dann war sie weg, drehte sich noch einmal um, bevor sie den Garten verließ und ihm zum Abschied zuwinkte.
Zurück in seiner Suite überlegte Sam, was für ein Glückspilz er doch war, dass er mit fast allen Frauen in seinem Leben nach wie vor auf freundschaftlichem Fuß stand. Abgesehen von der einen oder anderen dramatischen Ausnahme – das einen Meter achtzig große ukrainische Model aus Moskau, die gemeingefährliche Rancherstochter aus Buenos Aires und natürlich Elena -, in keiner seiner ehemaligen Beziehungen hatte es beim finalen Crash böse Schuldzuweisungen gegeben. Vermutlich weil die Frauen vernünftig genug waren, ihn nicht allzu ernst zu nehmen, schloss er.
Als er an seinem Schreibtisch saß und noch einmal einen Blick auf die Liste der gestohlenen Weine warf, kehrten seine Gedanken zu Kates Bemerkung zurück. Natürlich hatte sie recht: Amerika war nicht das einzige Land, das kriminelle Weinliebhaber hervorbrachte. Doch wo sollte er mit der Suche beginnen?
Er stand auf und ging durch den Raum in seine Bibliothek hinüber, deren lange Reihe von Bücherschränken
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