Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
Vom Netzwerk:
heraufzubeschwören? Ein solcher Versuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sam beschloss, sich an Brot, Käse und einem guten Rotwein gütlich zu tun, doch selbst diese frugale Mahlzeit blieb hinter den Erwartungen zurück. Das Etikett auf der Flasche war beeindruckend, der Herkunftsnachweis tadellos, der Jahrgang exzellent. Aber irgendwie schmeckte der Wein nie so, wie er sollte, wenn er zehntausend Meter über der Erde getrunken wurde. Mit der Höhe schien er sein Volumen zu verlieren. Die Turbulenzen beim Fliegen wirken sich offenbar auf die Ausgewogenheit und das Aroma aus. Ein renommierter Weinkritiker hatte einmal gesagt: »Nach den hektischen Aktivitäten von Start und Landung
bleibt dem Wein nie genug Zeit, sein harmonisches Gleichgewicht wiederzufinden.« Sam probierte ein Glas, dann ging er zu Wasser über, nahm eine Schlaftablette statt des an künstlichen Aromen überreichen Desserts und wachte erst am nächsten Morgen wieder auf, als die Maschine über dem Ärmelkanal mit dem Landeanflug begann.
     
    Es war jedes Mal ein wunderbares Gefühl, nach Paris zurückzukehren. Als sich das Taxi den Weg über den Boulevard Raspail in Richtung Saint-Germain bahnte, war Sam wieder einmal von den großartigen Proportionen überwältigt, die auf den Entwürfen des Stadtplaners Haussmann Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beruhten – die großzügige Breite der Hauptstraßen, die auf menschliche Maße getrimmten Bauwerke, die hochherrschaftlichen Parks und Gärten und die unerwarteten grünen Inseln im Westentaschenformat. Nicht zu vergessen die Seine mit ihren anmutig geschwungenen Brücken, die Fülle der Bäume und Heldendenkmäler und die langen Sichtachsen, die imposante Ausblicke boten. All diese Vorzüge machten Paris zu einer der pachtvollsten Städte der Welt und einer der saubersten, am Standard einer Millionenmetropole gemessen. Keine aufgetürmten Müllsäcke, keine verstopften Rinnsteine, in denen Einwickelpapier, Styropor und zerknüllte Zigarettenpäckchen schwammen, die üblichen Zeichen urbaner Verwahrlosung.
    Fast zwei Jahre waren seit seinem letzten Besuch vergangen – einem langen, wunderbaren Wochenende mit Elena Morales -, doch Sam stellte fest, dass das Montalembert nichts von seinem Charme eingebüßt hatte. Ein wenig abseits der Rue du Bac gelegen, wirkte das kleine Hotel elegant und einladend. Hier stiegen jedes Jahr die weniger wichtigtuerischen weiblichen Größen der Modewelt ab, wenn die neuen
Kollektionen vorgestellt wurden. Autoren, Literaturagenten und Verleger gaben sich in der Bar des Hotels ein Stelldichein, tauschten eindringliche Blicke, tranken Whisky, zerbrachen sich den Kopf über Trends der französischen Literatur und stritten über Honorare. Hübsche Mädchen gingen aus und ein, bunten Schmetterlingen gleich. Die Antiquitätenhändler und Galeriebesitzer des quartier kamen auf einen Sprung vorbei, um einen erfolgreichen Verkaufsabschluss mit einem Glas Champagner zu feiern. Die Gäste fühlten sich hier zu Hause.
    Ein großer Teil dieses Verdienstes gebührte natürlich dem Personal, doch auch die unkonventionelle Aufteilung des Erdgeschosses trug dazu bei. Auf verhältnismäßig engem Raum waren hier eine Bar, ein kleines Restaurant und eine winzige Bibliothek mit offenem Kamin untergebracht, nicht durch Wände, sondern durch verschiedene Lichtebenen voneinander getrennt: heller im Restaurant, gedämpfter in der Bibliothek. Geschäftsessen im vorderen, romantische Verabredungen im hinteren Bereich.
    Sam erledigte die Anmeldeformalitäten, durch den Duft des Kaffees, der vom Restaurant herüberdriftete, in Versuchung geführt. Nach einer raschen Dusche und Rasur eilte er nach unten, um sich mit einem café crème und einem Croissant zu stärken, wobei er nochmals sein Programm für den Vormittag und Nachmittag Revue passieren ließ. Heute würde er sich einen freien Tag gönnen und einen ganzen Tag lang nur Tourist sein.
    Ihm gefiel der Gedanke, dass die ausgewählten Zielpunkte leicht zu Fuß zu erreichen waren: das Musée d’Orsay, das er zu besuchen plante, dann ein Spaziergang über die Pont Royal, die drittälteste Brücke der Hauptstadt, zum Louvre, um auf der Terrasse des eleganten Café Marly eine Kleinigkeit
zu essen. Anschließend würde er durch die Tuilerien zur Place Vendôme schlendern, wo er im Charvet eine Verabredung hatte.
    Das Wetter in Paris war launisch, schwankte zwischen Winterende und Frühlingsbeginn, und als Sam den Boulevard

Weitere Kostenlose Bücher