Ein diebisches Vergnügen
vor der Bar sperrte Philippe das Vorhängeschloss an seinem Motorroller auf und schwang sich auf den Sattel. »Das einzig taugliche Fortbewegungsmittel in Marseille«, erklärte er. »À bientôt, mes enfants.« Und mit einem Winken setzte er sich in Bewegung, knatterte die Gasse entlang, eine überbordende Silhouette, die auf zwei winzigen Rädern balancierte.
12. Kapitel
A lso, was wir brauchen, ist eine glaubwürdige Geschichte, die uns Zutritt zu Rebouls Keller verschafft, und zwar lange genug, um die Bestände in Augenschein zu nehmen«, erklärte Sam. »Da er Wein in rauen Mengen besitzt, könnte die Inspektion mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Unter Umständen sogar Tage. Wir müssen außerdem die Möglichkeit haben, Notizen zu machen, und vielleicht ein paar Fotos, als Beweis. Ach ja, und es sollte eine Geschichte sein, die sich nicht auf Anhieb überprüfen lässt.« Er nickte dem Ober zu, woraufhin dieser den Korkenzieher zum Einsatz brachte. »Gar nicht so einfach. Hat irgendjemand eine Idee?«
Sie hatten beschlossen, im Hotelrestaurant zu essen, das Fisch aus heimischen Fanggründen, heimischen Weißwein aus Cassis und einen Logenplatz bot mit Ausblick auf den heimischen Sonnenuntergang über dem Alten Hafen. Es war noch früh am Abend, und abgesehen von einem Tisch mit Geschäftsleuten, die ihre Aktenkoffer und Marketingpläne zu einem formvollendeten Dinner ausführten, hatten sie das Restaurant für sich allein.
»Ich habe darüber nachgedacht«, erwiderte Sophie. »Wenn es stimmt, was Philippe sagt, dürfte es kein Problem sein, zu Reboul vorzudringen. Wir könnten behaupten, dass wir für
irgendeine Zeitschrift arbeiten und eine Kurzbiografie über ihn bringen möchten …« Sie verstummte. Sam schüttelte bereits den Kopf.
»Er würde den Namen der Zeitschrift wissen wollen und seine Leute anweisen, sich mit dem Herausgeber in Verbindung zu setzen, um sicherzugehen, dass wir nicht vorhaben, ihn mit unserem Artikel fertigzumachen. Wie auch immer, das Interview mit Reboul dient ja nur als Vorwand, als Mittel zum Zweck. In Wirklichkeit wollen wir den Keller sehen. Die Weine.«
Sophies Erfahrungen mit Lug und Trug waren auf die Dinnerpartys in Bordeaux beschränkt, die gelegentlich gesellschaftlich pikanten Stoff lieferten, doch sie genoss die Herausforderung, eine glaubhafte Geschichte zu erfinden. »Ich hab’s!«, rief sie plötzlich. »Sie sind ein reicher Amerikaner, der sich einen anständigen Weinkeller zulegen will – ruck, zuck natürlich, wie alle reichen Amerikaner -, und haben mich als Beraterin engagiert. Wir treffen uns mit Reboul, weil wir Anregungen brauchen und gehört haben, dass er einen der besten Keller in Frankreich besitzt.«
Sam runzelte die Stirn. »Und was springt für ihn dabei heraus? Warum sollte er zwei Wildfremden helfen?«
»Weil es ihm gefällt, hofiert und umschmeichelt zu werden. Das mögen alle Männer – vor allem die erfolgreichen.«
»Stimmt. Doch das reicht als Grund nicht aus, nicht für jemanden, der es liebt, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Darauf ist er geradezu versessen, wie wir wissen. Er scheint zu den Menschen zu gehören, die Gutes tun, um darüber zu reden.«
Sam wollte gerade den Wein einschenken, als er mitten in der Bewegung innehielt, die Flasche auf halbem Weg zwischen Eiskübel und Sophies Glas.
»Was haben Sie eben gesagt? Reboul besitzt einen der besten Weinkeller in Frankreich?«
Sophie nickte. »Ja. Und?«
»Bei dem Stichwort ›bester Weinkeller‹ fällt mir ein Buch ein. Ein Bestseller. Also, stellen Sie sich vor, wir sammeln Material für ein Buch. Einen großen teuren Bildband mit Hochglanzfotos, in dem es um die besten Keller in Frankreich – ach was, die besten Weinkeller der Welt – geht, und wir möchten Rebouls Keller darin präsentieren.« Sam war so in Gedanken versunken, dass er weder die tropfende Flasche in seiner Hand noch den geduldig wartenden Ober hinter seiner Schulter bemerkte. »Und warum ist die Wahl ausgerechnet auf diesen Keller gefallen? Weil er alles hat, was man braucht: eine herausragende Weinsammlung, ein außergewöhnliches Ambiente rundum, einen faszinierenden, erfolgreichen Besitzer und so weiter. Und das alles – insbesondere aber den Besitzer – würden wir natürlich von einem der besten Fotografen der Welt für den Bildband ablichten lassen. Reboul würde also seine Streicheleinheiten erhalten, aber in aller Öffentlichkeit. Und wir hätten einen Grund, uns beliebig lange im
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