Ein diskreter Held
auch nicht nach Fantasieren zumute, mein Schatz.«
»Hast du etwas von ihnen gehört?«
Rigoberto bejahte. Die Hochzeit von Ismael und Armida war nun sieben Tage her, und er und Lucrecia hatten die ganze Woche schon bange auf eine Reaktion der Hyänen gewartet. Aber die Tage vergingen, und nichts passierte. Bis vor zwei Tagen Ismaels Anwalt, Dr. Claudio Arnillas, Rigoberto anrief, um ihn zu warnen. Die Zwillinge hätten herausgefunden, dass die standesamtliche Trauung im Rathaus von Chorrillos stattgefunden hatte, und demnach wüssten sie, dass er einer der Trauzeugen war. Er solle sich darauf gefasst machen, jeden Moment könnten sie ihn anrufen.
Wenige Stunden später taten sie es.
»Miki und Schlaks haben mich um ein Treffen gebeten, ich habe zugesagt, was blieb mir anderes übrig«, sagte er. »Sie kommen morgen. Ich habe es dir nicht gleich erzählt, um dir nicht den Tag zu verderben, Lucrecia. Jetzt rollt die Chose auf uns zu. Ich hoffe, ich komme da wenigstens mit heilen Knochen wieder heraus.«
»Weißt du was, Rigoberto? Die beiden sind mir nicht so wichtig, die können mir erst mal gestohlen bleiben, wir wussten doch, dass das passieren würde, wir haben nichts anderes erwartet, oder? Da müssen wir dann eben durch, ist nun mal so«, worauf seine Frau das Thema wechselte. »Was mir mehr Sorgen macht als die Hochzeit von Ismael und der Wutanfall der beiden Kanaillen, was mir den Schlaf raubt, ist Fonchito.«
»Dieser Knilch schon wieder?« Rigoberto fuhr auf. »Geht das weiter mit den Erscheinungen?«
»Sie haben nie aufgehört, Jungchen«, erinnerte ihn Lucrecia, und ihre Stimme klang brüchig. »Ich glaube, der Kleine misstraut uns einfach und erzählt uns nichts mehr. Das beunruhigt mich am meisten. Siehst du nicht, wie es dem Ärmsten geht? Völlig abwesend, traurig, verschlossen. Früher hat er uns alles erzählt, aber jetzt, fürchte ich, behält er die Dinge für sich. Und vielleicht deshalb frisst ihn der Kummer auf. Merkst du es nicht? Wo du immer die Hyänen im Kopf hast, ist dir gar nicht aufgefallen, wie sich dein Sohn in den letzten Monaten verändert hat. Wenn wir nicht bald etwas tun, könnte irgendwas passieren, und wir würden es für immer bereuen. Ist dir das eigentlich klar?«
»Allerdings.« Rigoberto wälzte sich unter den Laken. »Aber ich weiß wirklich nicht, was wir noch tun können. Wenn du es weißt, sag es mir. Ich weiß nicht mehr weiter. Wir haben ihn zur besten Psychologin von Lima geschickt, ich habe mit seinen Lehrern gesprochen, jeden Tag versuche ich mit ihm zu reden und sein Vertrauen zurückzugewinnen. Sag mir, was ich noch tun soll, und ich tue es. Ich bin genauso um Fonchito in Sorge wie du, Lucrecia. Glaubst du, mein Sohn wäre mir egal?«
»Ich weiß ja, ich weiß«, sagte sie. »Ich hatte die Idee, dass du vielleicht, na ja, ich weiß nicht, aber lach nicht, ich bin so verwirrt über das alles, also, es ist nur eine Idee, nichts weiter als eine einfache Idee.«
»Dann sag, welche, und wir tun es, Lucrecia. Was auch immer, ich tue es, ich schwöre dir.«
»Warum sprichst du nicht mit deinem Freund Pater O’Donovan. Na ja, bitte lach nicht, ich weiß selber nicht.«
»Du meinst, ich soll mit einem Pfarrer darüber sprechen?« Rigoberto kicherte, so sehr überraschte es ihn. »Wozu? Damit er Fonchito exorziert? Hast du den Scherz mit dem Teufel ernst genommen?«
Angefangen hatte es schon vor Monaten, vielleicht auchvor einem Jahr, auf die banalste Weise. An einem Wochenende erzählte Fonchito beim Mittagessen seinem Vater und seiner Stiefmutter auf einmal, ganz wie nebenbei, als hätte es nicht die geringste Bedeutung, von seiner ersten Begegnung mit dieser Person.
»Ich kenne deinen Namen schon«, sagte der Mann und lächelte ihm vom Nebentisch aus freundlich zu. »Du heißt Luzifer.«
Der Junge sah überrascht zu ihm hin und wusste nicht, was er sagen sollte. Er trank eine Inca Kola aus der Flasche, die Schultasche auf den Knien, und erst jetzt bemerkte er seine Anwesenheit in dem einsamen kleinen Café im Stadtpark von Barranco, nicht weit von zu Hause. Es war ein Herr mit silbrigen Schläfen, heiteren Augen, sehr schlank, bescheiden gekleidet, aber tadellos. Er trug einen violetten Pulli mit weißen Rauten unter einem grauen Sakko. In kleinen Schlucken trank er ein Tässchen Kaffee.
»Ich habe dir ausdrücklich verboten, auf der Straße mit Unbekannten zu sprechen, Fonchito«, erinnerte ihn Rigoberto. »Hast du das vergessen?«
»Ich heiße
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