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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

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Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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Jagd, liefen zusammen Ski. Arvid Lunde hatte wenig Übung als Skiläufer, aber er empfand es als seine Pflicht, mit dem neuen Chef in der Nordmarka Schritt zu halten. CC war schließlich 65. Außerdem wollte Lunde ein guter Norweger sein, es käme Landesverrat gleich, sich nicht für den Skisport zu interessieren. Ohne gute Gesundheit ist man nichts wert, sagte Christiansen. Er erzählte, wie er damals, als er in die Vierziger kam, auf dem Tennisplatz herumhing, erst da habe er beschlossen, Training zu einem Grundpfeiler seines Lebens zu machen. Jedes dritte Jahr habe ich einen Fahrradunfall, aber so weiß ich wenigstens, dass ich lebe, sagte CC und lachte. Eines Abends zu vorgerückter Stunde erzählte er, dass er seinen Sohn bei einem Autounfall verloren habe. Der Junge war in einer schönen Sommernacht in Hemsedal gegen einen Baum geprallt. Er hatte sich gerade erst einen Jaguar gekauft, und sie mussten ihn herausschneiden, während er langsam auf dem weißen Ledersitz starb. CC ließ durchblicken, dass der Sohn tragischerweise vorsätzlich gegen diesen Baum geprallt sei. Er sprach über den Unfall, als wäre er immer noch unsicher, ob er sich schämen oder gekränkt sein sollte. Ich hätte Tom Erik gern weiter dabeigehabt, sagte CC.
    Seine Tochter arbeitete als Souffleuse im Nationaltheater. Hanna Christiansen hatte sich nie sonderlich für das Geschäftsleben interessiert, darum hatte es auch nie zur Debatte gestanden, sie stärker in die Firma einzubinden. Sie durfte schon immer machen, was sie wollte, und das hatte sie ins Nationaltheater geführt, wo sie Abend für Abend Schauspieler an ihre Texte erinnerte, egal ob Ibsen, Strindberg oder Pirandello auf dem Spielplan standen. CC betonte, dass er für das Theater als Kunstform nicht viel übrighabe. Theater war bloß abendliches Geschrei. Konnten sie nicht wenigstens wie normale Leute reden? Glaubst du, King Lear hätte wie ein normaler Mann gesprochen?, antwortete die Tochter dann. Er respektierte ihre Entscheidung, konnte sie aber nicht nachvollziehen. Wäre sie wenigstens die Person, die den Text sprach? Aber ihre Aufgabe bestand lediglich darin einzuschreiten, wenn die alten Zirkuspferde nicht weiterwussten, und das so unauffällig wie möglich.
    Direktor Christiansen lud seinen neuen Mitarbeiter ins Theater ein, er hatte Karten für John Gabriel Borkman . Sie konnten Hanna sehen, wie sie mit einer kleinen Lampe über dem Manuskript auf ihrem Stuhl saß, sie blätterte die Seiten um, während das Stück voranschritt. Es schien, als hätte sie einen ruhigen Abend, der Text wurde von routinierten Schauspielern wie Toralv Maurstad und Rut Tellefsen bestens präsentiert. Die Christiansens luden nach der Vorstellung zu sich nach Hause ein. Frau Christiansen servierte Kalb und Crème brûlée. Hanna wusste zu berichten, dass Borkman während der Vorstellung über eine Textstelle gestolpert sei und sie flüstern musste: Wie alt sind Sie jetzt, Herr Larsen? Hanna und Arvid landeten auf dem Sofa, nachdem ihre Eltern sich gegen Mitternacht zurückgezogen hatten. Hanna sagte, eins hätte sie im Theater gelernt, nämlich dass es im modernen Leben keine Liebe mehr gebe. Es gebe keine Freunde, keine wahren Freunde, keine wahren Geliebten, es gebe nur Schmerz und Valium. Arvid sagte, man könne das Theater und das wahre Leben nicht miteinander gleichsetzen. Theater sei Theater. Das Leben sei etwas anderes. Ich war in diesem Haus ein kleines, dickliches Kind, sagte Hanna und prostete ihm zu. Tatsächlich?, fragte Arvid Lunde. Ja, und jetzt wurdest du mir vom Schicksal geschickt.
    Arvid Lunde erzählte Fräulein Mowinckel später am Telefon, dass er seinen Ohren nicht getraut habe. Jetzt wurdest du mir vom Schicksal geschickt . Hanna hatte gesagt, sie könnten oben in eins der Gästezimmer gehen, wenn Arvid so weit sei. Das sei das Schöne, wenn man in einem großen Haus lebe, der Abstand zwischen den Zimmern sei riesig, die Eltern würden nichts hören. Sie wolle sich nur für die Nacht fertigmachen, dann komme sie nach oben. Arvid Lunde wartete, bis sie im Bad verschwunden war, dann zog er Schuhe und Mantel an und stolperte hinaus in die Oslonacht. Sein neuer Chef hatte sich vermutlich eine Ehe vorgestellt, er war der Auserwählte, er war der neue Sohn. CC hatte seinen Sohn an einer Eiche in Hemsedal verloren, jetzt brauchte er einen neuen. Arvid Lunde hätte den Wink verstehen müssen, CC war ganz sicher der Auffassung, dass Hanna und er wie füreinander geschaffen

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