Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
nicht sonderlich angesprochen. Oder sonst etwas von mir.«
Hunters Miene verfinsterte sich ein wenig. »Lassen Sie uns deswegen nicht die Klingen kreuzen.« Er verpasste wieder ein paar Blättern einen Schlag.
»Kooperation?«
Hunter überlegte kurz. »Noch nicht. Tut mir Leid. Die Angelegenheit ist vertraulich. Später aber, zweifellos. Uneingeschränkte Kooperation. Was sagen Sie dazu?« Er streckte die Hand aus. »Ein Gentleman’s Agreement.«
Da er wusste, dass er kein Gentleman war, schlug Rebus ein, nur damit Hunter Ruhe gab. Der ältere Mann wirkte nicht erleichtert, lediglich still erfreut darüber, dass die Verhandlungen unblutig und - in seinen Augen - erfolgreich verlaufen waren. Er nickte zum Abschied.
»Ich rufe Sie an, sobald ich Ihnen etwas sagen kann«, versprach er Rebus.
»Mr. Hunter? Warum haben Sie eigentlich McAllister vorgeschoben und mich nicht einfach selbst angerufen?«
Hunter schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Was wäre
das Leben ohne ein wenig Dramatik, Inspector?« Er stieg die Stufen vorsichtig, leicht hinkend, hinunter. Zu stolz, um einen Gehstock zu verwenden, benutzte er stattdessen einen Schirm. Rebus wartete eine halbe Minute ab, dann ging er rasch zum Tor und spähte nach rechts die Straße hinauf. Hunter marschierte den Waterloo Place entlang, als ob er ihm gehöre. Rebus folgte ihm in angemessenem Sicherheitsabstand.
Es wurde ein kurzer Spaziergang, nur bis zum »Reichstag«: St. Andrew’s House.Wo, wie sich Rebus erinnerte, die ranghöchsten Beamten des Scottish Office ihren Job erledigten. Er erinnerte sich auch, dass St. Andrew’s House auf den Fundamenten des einstigen Calton-Gefängnisses stand. Rebus ging an dem rußgeschwärzten Gebäude entlang und überquerte die Straße. Er blieb vor der alten Royal High School stehen, dem mutmaßlichen Sitz eines etwaigen künftigen schottischen Parlaments. Sie war eingemottet, und ein einsamer Demonstrant hatte davor Posten bezogen; seine Spruchbänder verlangten Dezentralisierung und politische Autonomie für Schottland.
Rebus starrte das St. Andrew’s House ein paar Minuten an und lief dann wieder den Waterloo Place entlang, dorthin, wo er sein Auto widerrechtlich geparkt hatte. Ein Strafzettel hing an der Windschutzscheibe, aber darum konnte er sich später kümmern. Im Lauf der Jahre hatte er mehr Knöllchen gesammelt als Haldayne - viel mehr. Folge meinem Rat, dachte er, und nicht meinen Taten. Es hatte auch weitere »außervertragliche Vergünstigungen« gegeben: Cafés und Restaurants, in denen er umsonst aß, Bars, in denen sein Geld nicht angenommen wurde, einen Bäcker, der ihm jedes Mal ein Dutzend Brötchen zuschob. Er selbst hätte sich nicht als korrupt bezeichnet, aber es gab Leute, die gesagt hätten, dass er sich bestechen ließ, oder zumindest zu künftiger Bestechung schmieren.
Es gab Leute, die gesagt hätten, er hatte sich kaufen lassen.
Folge meinem Rat, nicht meinen Taten. Und damit zerriss er den Strafzettel.
Wieder zu Hause, holte Rebus alles heraus, was er an Material über das Scottish Office besaß. Den Namen Hunter konnte er nirgendwo finden. Die Unterlagen verrieten eine gewisse Scheu, Namen zu nennen, wenn’s um Beamte ging - so mitteilsam sie auch hinsichtlich der Namen des amtierenden Staatsministers, des Minister of State und der parlamentarischen Staatssekretäre waren, bei denen es sich übrigens durchweg um Abgeordnete oder um Mitglieder des House of Lords handelte. Wie McAllister erklärt hatte, waren das die zeitlich befristeten Jungs, die Galionsfiguren. Sobald es aber um das ständige Personal ging - die höheren Beamten -, stieß Rebus auf Schweigen und Anonymität. Bescheidenheit, fragte er sich, oder Diskretion? Oder möglicherweise ganz etwas anderes …
Er wählte Mairie Hendersons Privatnummer.
»Haben Sie’ne Story für mich?«, fragte sie. »Ich könnte eine brauchen.«
»Was wissen Sie über das Scottish Office?«
»Dies und das.«
»Obere Verwaltungsebene?«
»Es könnte Umschichtungen gegeben haben, seit ich mich zuletzt damit beschäftigt habe. Rufen Sie bei der Zeitung an, reden Sie mit - was wäre am besten? Innenpolitik oder Parlament? - ja, Roddy McGurk. Reden Sie mit ihm, sagen Sie ihm, Sie hätten seinen Namen von mir.«
»Danke, Mairie.«
»Und das mit der Story war ernst gemeint.«
Rebus rief bei der Zeitung an und verlangte nach Roddy McGurk. Er wurde sofort durchgestellt.
»Mr. McGurk, ich bin ein Freund von Mairie Henderson. Sie meinte,
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