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Ein EKG fuer Trimmel

Ein EKG fuer Trimmel

Titel: Ein EKG fuer Trimmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Werremeier
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nichts mehr. Und dann ist sie erst mal weg in Richtung Krankenhaus St. Georg, vorbei an vielen offenen Türen, vorbei an der inzwischen zusammengelaufenen Menge. Die also kriegt das erwartete blasse Gesicht schließlich doch noch zu sehen.
     
     
    Alles in allem, durch diese ganzen Ereignisse muß schließlich Höffgen in dieser Nacht den Taxifahrer Schleifmann vernehmen, den sie wider Erwarten doch in seiner Wohnung angetroffen haben. Der Mann gibt immerhin zu Protokoll, Tennessys Fahrt zur Fontenay habe am Gänsemarkt begonnen, und er habe dabei ziemlich dumme Sprüche von sich gegeben.
    Trimmel, äußerst neugierig geworden, geht derweil auf dem schnellsten Weg ins Computerzentrum, wo ein ziemlich gleichgültiger sogenannter System Operator Nachtdienst macht. Mord hin, Mord her – der Betrieb geht weiter.
    Erst sieht Trimmel die Daten über Professor Lachnitz, den Chefchirurgen des Krankenhauses Lehnberg, nach denen er von Amts wegen gefragt hat, auf dem Bildschirm. Anschließend bekommt er sie auch noch gedruckt, und auf diese Weise wird er zweifach beeindruckt.
    »Arbeitet ihr eigentlich Tag und Nacht?« erkundigt er sich voller Mitgefühl.
    »Drei Schichten normalerweise«, sagt der Operator. »Wie im Hafen…«
    »Aber heute… gestern nachmittag war’s doch leer?«
    »Tja, das war so – letzten Freitag hat Tennessy komischerweise angeordnet, wir sollten zu Hause bleiben; er hätte was auszutüfteln, und die Stallwache, die macht er nebenbei selber. Warum er dann über Mittag trotzdem weggegangen ist, wie ich gehört habe, wobei es eigentlich sehr unüblich ist, den Laden leerstehen zu lassen… Also, wirklich mal ganz unter uns…«
    Trimmel riecht seinen schweren Atem, als er sich dicht zu ihm herüberbeugt.
    »Ganz unter uns«, wiederholt der Mann dramatisch, »manchmal hat Tennessy richtig gesponnen!«
    Vielleicht ähnlich wie Lachnitz, denkt Trimmel mit dem überraschenden Ergebnis von Jill Bieglers Tip in der Tasche. Kann’s nicht sein, daß die beiden auf derselben Wellenlänge gesponnen haben?

4
     
     
     
    Sie haben sämtlich keine Gesichter: zehn Leute in grünen Kitteln, vier Ärzte und sechs Schwestern, weil sie Masken tragen, der Patient, weil ihm bei einem schweren Unfall auf der Werft das Gesicht durch einen herabfallenden Eisenträger zerschmettert worden ist.
    Trotzdem tut keiner was. Vier Ärzte und sechs Schwestern, die komplette Lachnitz-Truppe, lassen die Arme hängen, verschränken sie über der Brust, schlenkern sie hin und her. Geschickte Finger in hauchdünnen Handschuhen bleiben untätig oder schlagen nervöse und sinnlose Takte.
    »Stellt ihn ab!« sagt der Chefarzt, ohne sich zu rühren. Er meint den Patienten, den Mann ohne Gesicht, der an Geräte angeschlossen ist und an Drähten hängt.
    Drei Augenpaare gleichzeitig begegnen über den Masken den Augen des Chefs.
    »Der Mann hat noch schwache Gehirnströme!« sagt einer der Ärzte leise.
    »Stellt ihn ab! Es hat keinen Zweck mehr…«
    Eine klare, eindeutige, moralisch wertfreie Entscheidung. Der Mann mit den schwachen Gehirnströmen wird nie wieder das Bewußtsein erlangen – sein Leben hängt nur noch an der Beatmungsmaschine. Er wird derzeit gezwungen, zu leben – ohne Bewußtsein, ohne Seele, mit zerstörtem Gehirn und anderen, tödlichen Verletzungen im Brustraum.
    7 Uhr 32 am Morgen des 23. November.
    Der Werftarbeiter Jens Brockmann wird nicht länger gezwungen zu leben. Jeder im Operationssaal des Krankenhauses Hamburg-Lehnberg, auch der Chefarzt, ist sich klar darüber, daß die Beatmungsmaschine trotzdem um Stunden zu früh abgestellt wird. Stunden zu früh: aus juristischer und aus standesethischer Sicht.
    Im Gegensatz zum Herzschlag lassen sich Gehirnströme nicht erzwingen. Aber solange sie, wenn auch noch so schwach, vorhanden sind, gilt Jens Brockmann nicht als tot.
    Deshalb haben sie ihren Chef angestarrt. Und am Ende tut’s der Chef selbst. Und dann erst kommen sie ihm zu Hilfe – dann allerdings alle…
    Professor Dr. Helmut Lachnitz trennt selbst die Bauchdecke des toten Jens Brockmann auf. Oberarzt Dr. Korth assistiert bei der Freilegung der Nieren. Lachnitz durchtrennt die Gefäße: Vene, Arterie, Harnleiter. Die Nieren werden herausgenommen, kommen in Glasschalen. In die Nierenerhaltungsmaschine. Dünne Schläuche verbinden Arterien und Venen mit dem Pumpsystem der Maschine. Plasma, organische Salze, auch Penicillin durchpulsen im Rhythmus der Herzschläge die herausgetrennten Organe.
    Die Maschine

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