Ein EKG fuer Trimmel
die Niere? Dann bitte folgen!«
Er prescht los wie ein Sportwagen. Immer größer erscheint die Boeing, die jetzt am Anfang der Startbahn steht, in der Windschutzscheibe des Polizeiwagens.
Dr. Korths Arm liegt immer noch auf der Nierenmaschine. Es ist wie verhext, geht’s ihm sekundenlang durch den Kopf; jeder will bei alledem nur das Beste, jeder möchte seinem lieben Nächsten Gutes, niemand dem anderen Böses tun.
Die Triebwerke sind gedrosselt, während Dr. Korth mit dem geheimnisvollen Apparat vorn einsteigt, aber nicht abgestellt. Die Treppe weg. Polizei- und Lufthansawagen fahren ab. Rauchverbot. Anschnallen. Startfreigabe.
Die Boeing rollt, wird immer schneller, hebt ab. Nur nicht zu steil hoch – weiß der Himmel, was da sonst überschwappen könnte!
Der Captain läßt Korth durch die Stewardeß fragen, ob er Lust hat, im Cockpit mitzufliegen.
»Gern!« sagt der Arzt. Die Niere ist im vorderen Einstiegraum gut verstaut.
Für die Hauptbeteiligten wird’s ein denkwürdiger Flug. Der eine erfährt endlich, daß er nicht nur ein Medikament an Bord hat, wie er angenommen hatte. Der andere hat kurz vor München allmählich den Eindruck, er könne die Boeing inzwischen fast selbst fliegen.
Korth erlebt auch die Landung aus neuer Perspektive: hier vorn merkt man kaum, daß die Maschine aufgesetzt hat; die Umkehr der Schubkraft ist scheinbar viel sanfter, und das Ausrollen scheint früher als sonst zu enden.
Schon von weitem sieht er dann neben dem gelben Blinklicht des Einweisungswagens das Blaulicht der Polizei. Niemand darf aus der Boeing aussteigen, bevor Korth mit dem Transplantat im Streifenwagen sitzt und über das Flugfeld von München-Riem davonjagt.
Hanschke indessen sagt zu seinem Co-Piloten, das sei wahrscheinlich das erste, aber wohl auch das letzte Mal gewesen, daß sie eine Niere ohne den dazugehörigen Menschen an Bord gehabt hätten.
Es geht um Minuten und nach Sekunden. Hertha Blitter wird die rechte kranke Niere herausgenommen, und an ihre Stelle kommt, quasi seitenverkehrt, die linke gesunde Niere von Walter Jakobs. Dr. Korth als Beobachter wundert sich, daß der Chirurg, Professor Sandmann, die neue Niere in ihre natürliche anatomische Lage einpflanzt; im allgemeinen setzt man sie in die Nähe der Baucheingeweide.
Zunächst die Blutversorgung. Sandmann verbindet die Nierenvene des Transplantats mit einer der großen Venen der Patientin Blitter. Dann trennt er die innere Beckenarterie der Frau kurz vor ihrer Vereinigung mit der äußeren Beckenarterie ab und verbindet sie mit der Nierenarterie des neuen Organs. Zum Schluß der Harnleiter: das neue Organ wird mit der Blase verbunden. Der bisherige Harnleiter wird unterbunden, sozusagen stillgelegt.
Doch die klassische Operation, erkennt Korth. Die linke Niere rechts, die Rückfläche nach vorn.
»Wollen hoffen, daß es zwischen Harnleiter und Blase keine undichte Stelle gibt…«, sagt Professor Sandmann. Das ständige Problem bei Nierenverpflanzungen. Die stete Gefahr, wenn Druck entsteht.
Aber es sieht gut aus. Das grau-rosa Transplantat, das Dr. Korth aus Hamburg gebracht hat, färbt sich rot: es wird kräftig durchblutet.
Korth bleibt stehen. Korth sieht zu, wie der magere Körper der Patientin Hertha Blitter nach der Operation versorgt wird und wie man sie behutsam hinausfährt.
Später lädt ihn Sandmann, eine Leuchte der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, noch zu einem Drink in seine Wohnung am Englischen Garten ein. Sandmann wirkt erschöpft und seltsam deprimiert. Ein passendes Wort von ihm, denkt Korth, und ich erzähle ihm alles über Lachnitz – alles, was mir auf der Seele liegt…
Aber Professor Sandmann lobt Professor Lachnitz plötzlich über den grünen Klee. Und versprüht wieder Optimismus, lobt sein erfahrenes Team hier in München, bei dem die Griffe sitzen wie beim Gewehrkloppen, sagt, daß allein schon die größere Häufigkeit der bei ihm durchgeführten Verpflanzungen die besseren Überlebensziffern garantiere… »Routine macht einiges aus von unserer Kunstfertigkeit, das wissen Sie so gut wie ich!«
Korth lächelt verkrampft. »Auch eine Legitimation…«
»Also, meine Legitimation«, sagt Sandmann, »ist schon im Ansatz vordergründiger. Gleich zu Anfang der Transplantationsära, als die Überlebenszeit nur Jahre betrug, wenn wir Glück hatten, hab ich mir gesagt: die Patienten, denen ich da eine Niere einpflanze, haben ohnehin nur noch wenige Wochen zu leben. Mit meiner
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