Ein EKG fuer Trimmel
vorzunehmen.
»Patient Walter Jakobs in den heutigen Morgenstunden verstorben, keine Hirnströme mehr, künstliche Beatmung«, meldet Lehnberg. Kein Wort darüber, daß er an einer Messerstecherei verstorben ist.
Er hatte weder Krebs noch urologische Beschwerden – anderenfalls hätte Lehnberg die Nieren nicht angeboten. Man verläßt sich aufeinander, stellt Fragen ausschließlich im Zusammenhang mit der Immunreaktion, die zu erwarten ist, nach immunosuppressiven Medikamenten, die die gefährliche Reaktion niederdrücken können. Sowie Fragen über die Möglichkeit einer Röntgenbestrahlung, die die Überlebenschance von Hertha Blitter ebenfalls erhöhen soll.
Alles ist kurzgeschlossen – von Arzt zu Arzt.
Die Frage ist nur noch: Wie kommt das Transplantat an diesem sanften Novemberabend nach München?
Genauso, wie Trimmel es vor längerem mal gehört hatte.
»Lufthansa neun sieben drei, ihr könnt noch keine Starterlaubnis kriegen; bleiben Sie in Parking Position vor der Runway stehen und warten Sie weiteres ab!«
»Roger«, sagt Captain Hanschke im Cockpit, »aber was soll das? Macht ihr wieder mal Bummelstreik?«
Der Controller, der ihm die Anweisung gegeben hat, ist beleidigt und lacht etwas krächzend. »Nix Bummeln, Captain; ihr sollt nur noch was mitnehmen nach München… nach dem Takeoff sollt ihr sogar so schnell wie möglich fliegen. Habt ja Gott sei Dank Rückenwind…«
»Was denn mitnehmen?«
»Was Medizinisches«, sagt der Controller. »Aber mehr weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, daß wir diese Anweisung nicht nur von der Flughafenleitung, sondern parallel auch von eurer Flugeinsatzleitung gekriegt haben; muß also diesmal echt was dahinterstecken.«
Hanschke klingelt der Stewardeß. »Gebt den Leuten mal was zu trinken, von mir aus auch Whisky. Wir müssen warten; weiß selbst nicht, wie lange…«
Die Passagiere – die meisten erinnern sich nur allzu deutlich an jenes Fegefeuer, durch das sie beim Bummelstreik der Fluglotsen gehen mußten – nehmen es gelassen hin. Die meisten trinken tatsächlich Whisky.
»Darf man denn wenigstens rauchen?« wird die Stewardeß immer wieder gefragt.
»Ich frag mal!« sagt sie am Ende und geht ins Cockpit.
Kurz darauf ist die dreiviertelbesetzte Boeing 727 auf der ganzen rechten Seite blau von Zigarettenrauch.
Peter neun steht mit laufendem Motor und rotierendem Blaulicht vor dem Haupteingang des Krankenhauses Lehnberg; die Besatzung steht mit angespannten Gesichtern an den vorderen Türen. Die Beamten können binnen Sekunden starten. Die hinteren Türen stehen ebenfalls offen.
Im Eingang erscheinen zwei Pfleger mit einem Nierentransportgerät und Oberarzt Dr. Korth, der über den weißen Kittel hastig einen Mantel geworfen hat. Die Pfleger packen das Gerät sehr sorgsam (bei aller Eile) auf den Rücksitz des Streifenwagens, der Arzt setzt sich daneben. Die Polizisten schlagen die Türen zu und rasen los.
Sie schalten die Sirene ein. Es geht um Minuten, hat man ihnen gesagt. Viel geredet wird da nicht.
Aber während der rasenden Fahrt von Lehnberg zum Flughafen beugt sich der Polizist auf dem Beifahrersitz irgendwann neugierig nach hinten und fragt Korth: »Um was geht’s denn hier tatsächlich?«
»Um eine Nierenverpflanzung heute nacht in München!« Der Arzt legt wie schützend die Hand auf die neu konstruierte Maschine zum Transport von Nieren.
»Also doch!« sagt der Beamte. Die Funkleitzentrale hat’s ihnen gesagt, aber zumindest er hat’s bis jetzt nicht recht glauben wollen.
Korth aber hat Angst. Die rasende Fahrt: sozusagen nur das Vehikel für die Angst. Die Angst ist schon alt – so alt wie das Datum, an dem Lachnitz zum erstenmal die Beatmungsmaschine zu früh abgestellt hat. Jetzt wieder neu: seit sich herumgesprochen hat, daß bei Lachnitz die Kriminalpolizei gewesen ist. Und heute schlimmer denn je: Er wird einfach nicht klug, dieser besessene Lachnitz; er hat heute für die Niere, die jetzt durch die Stadt rast, schon wieder zu früh »Stell ihn ab!« gesagt!
Korth weiß, daß er sofort ein Geständnis ablegen wird, sobald sie ihn jemals fragen. Denn nicht nur dieses Polizeiauto, in dem er hier sitzt, fährt zu schnell. Sondern in erster Linie der Chef.
Kreisel Alsterkrugchaussee. Der Peterwagen ist durch. Der Flughafen. Bunte Lichter wie auf der Kirmes, gefiltert durch die feuchte, sanfte Luft.
Links vom Flughafenhauptgebäude eine offene Schranke. Ein gelber VW der Lufthansa wartet. »Haben Sie
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