Ein EKG fuer Trimmel
– er geht praktisch nie aus dem Haus!«
»Tja«, sagt Laumen fast bedauernd, »dann müssen Sie leider doch mal mitkommen!«
Vorsichtshalber tastet er den Jungen nach Waffen ab, bevor er mit ihm loszieht. Der aufgeregten Frau Herzog sagt er tröstend: »Ich komm dann später noch mal…«
Da weiß sie echt nicht, was sie davon halten soll.
Auf den Stufen des Hauseingangs gibt der junge Mann seinem Bewacher einen heftigen Stoß und haut ab.
Laumen stürzt und schrammt sich schmerzhaft das Schienbein an. Noch im Liegen schreit er: »Halt – stehenbleiben!«
Aber der Junge rennt weiter, und Laumen, dem vor Schmerzen die Augen tränen, zieht seine Dienstwaffe und schießt zweimal in die Luft. Zwei einsame Passanten lassen sich entsetzt einfach auf die Straße fallen.
Der langhaarige Typ rennt hakenschlagend immer noch weiter. Und nun rennt Laumen los. Er rennt ungewöhnlich schnell, viel schneller als der andere, und hat ihn trotz seines aufgeschlagenen Schienbeins schon an der übernächsten Ecke eingeholt.
»Merk dir eines«, sagt er schwer atmend, »ich war mal Hamburger Polizeimeister über hundert Meter!« Dann packt er ihn in seine Ente, kümmert sich nicht um die plötzlich zusammengelaufene Menge und fährt ins Präsidium.
Höffgen sagt zu Laumen, in Gegenwart des vorläufig festgenommenen jungen Mannes: »Wieso fängste hier Hippies, wenn du bei der Mordkommission bist?«
Der Festgenommene kriegt anscheinend einen Heidenschreck, sagt aber nichts. Laumen zuckt nur die Achseln.
Sie lassen den Jungen dann erkennungsdienstlich behandeln und ihm die Fingerabdrücke abnehmen – und dann stellt sich überraschend heraus, daß Laumen anscheinend einen guten Fang gemacht hat. Gleich zwei Beamte der Sonderfahndung kommen ins Zimmer, sehen sich Laumens Gefangenen an und vergleichen ihn mit einigen älteren Fotos.
»Kein Zweifel, das ist er!« sagt der erste.
»Wer?« fragt Höffgen.
Der zweite Beamte liest aus einer schmalen Akte vor: »Berthold Weyer, genannt Bertie, angeblich Student, mutmaßliches Mitglied einer Roten Zelle, Haftbefehl wegen terroristischen Anschlags auf die Hochbahn… damals, bei den Protesten wegen der letzten Fahrpreiserhöhung.«
»Na bitte!« sagt Laumen.
Bertie Weyer jedoch schneidet nur Grimassen und sagt nach wie vor nichts.
»Was mich interessiert«, fragt der erste Beamte, »weshalb werden Sie hier ausgerechnet von der Mordkommission angeliefert, Herr Weyer?«
»Leck mich am Arsch!« sagt Bertie Weyer.
Aber die Sonderfahnder grinsen nur. »Bei den Brüdern weiß man eben nie…«
»Meinste die Roten Zellen oder die Mordkommission?«
»Raus!« sagt Höffgen. Kaum ist Trimmel weg, denkt er vergrätzt, und schon nehmen sich untere Dienstgrade derart gravierende Respektlosigkeiten heraus.
Petersen hat länger zu fahren, bis nach Volksdorf; immerhin, er freut sich mittlerweile auf das Gespräch, das ihm bevorsteht. Und dann zeigt sich rechts von der Eulenkrugchaussee zwischen hohen Bäumen ein prächtiger Bungalow… Konrad Brauer steht am Eingang im Grünen.
»Ja, bitte?« fragt eine Frau durch die Sprechanlage.
»Mein Name ist Petersen«, sagt der Leichenbestatter feierlich, »von der Polizei. Hab ich die Ehre mit Frau Brauer persönlich?«
Das Türschloß summt.
Petersen geht den Weg hoch, und die Dame, die ihn oben am Bungalow erwartet, ist ganz eindeutig Frau Brauer persönlich. Sehr blaß, hochgeschlossen und in Schwarz. »Guten Tag, gnädige Frau. Ich bin ziemlich untröstlich, Sie am heiligen Samstag stören zu müssen, aber…«
Man glaubt es ihm; das ist seine Stärke.
»… es geht um Ihren verstorbenen Gatten. Ihm ist doch… es tut mir wirklich aufrichtig leid, davon sprechen zu müssen… ihm ist doch nach seinem Tod von Herrn Professor Lachnitz eine Niere entnommen und gewissermaßen anderweitig verpflanzt worden?«
»Beide Nieren!« sagt Frau Brauer sachlich. Dann, mit einer einladenden Geste: »Bitte, treten Sie ein… ich wollte gerade Kaffee trinken; nehmen Sie auch ein Täßchen?«
»Gern, gnädige Frau…« Man muß sich Zeit nehmen, sagt er sich, man kann letztlich nicht mit der Tür in ein so komfortables Trauerhaus fallen. Und erst als das Mädchen den Kaffee serviert hat, fährt er mit seiner langsamen und feierlichen Stimme fort: »Ich bin beauftragt, gnädige Frau, die Angehörigen aller Verstorbenen, denen bei Herrn Professor Lachnitz Nieren entnommen worden sind, zu befragen, ob das mit ihrem, wie Sie wissen, gesetzlich
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