Ein EKG fuer Trimmel
vorgeschriebenen Einverständnis geschehen ist…«
»Ich war einverstanden!« sagt Frau Brauer. »Ich möchte allerdings wissen…«
»Ja, aber wann waren Sie einverstanden, gnä Frau?« unterbricht Petersen schnell. »Ihr Gatte – Sie sehen es einem Polizeibeamten, der seine Pflicht zu tun hat, sicherlich nach, daß ich das nochmals aufwühlen muß –, Ihr Gatte war doch klinisch eigentlich bereits tot, als er ins Krankenhaus Lehnberg eingeliefert wurde…?«
»Richtig«, sagt Frau Brauer ruhig. »Er war offenbar nicht mehr in der Lage, mit mir zu sprechen.«
»Aha«, sagt Petersen, »statt dessen haben Sie dann also mit Herrn Professor Lachnitz gesprochen?«
»Ja, das habe ich. Er sagte mir sofort, es bestehe keinerlei Hoffnung mehr.«
Und Petersen fährt fort – langsam, bedächtig und scheinheilig. »Herr Professor Lachnitz hatte Sie sicher schon bei dieser Gelegenheit gefragt, ob Sie Ihr Einverständnis geben würden, Nieren beziehungsweise überhaupt Organe Ihres Mannes zu entnehmen und zu dessen Rettung auf einen anderen Menschen zu verpflanzen?«
Sie sieht ihn sehr direkt an. »Ja, er fragte mich sofort, aber ich konnte mich in meiner ersten… Schocksituation noch nicht entschließen…«
»Verständlich, gnä Frau, nur allzu verständlich… Aber sagen Sie, gnä Frau: Sie wußten zum damaligen Zeitpunkt sicher auch, daß Ihr Schwager Berthold an einem Herzinfarkt daniederlag, von dem er sich dann ja beklagenswerterweise ebenfalls nicht mehr erholt hat?«
Noch immer sieht sie ihm in die Augen. »Ja, das wußte ich. Aber woher wissen Sie es, und warum interessiert sich die Polizei für solche sehr privaten Dinge? Würden Sie mir netterweise sagen, auf was Sie hinauswollen?«
»Ungern!« sagt Petersen spontan. »Aber wenn Sie darauf bestehen…«
»Ich bestehe darauf!« sagt die zierliche Frau.
»Also, ich habe mich im Krankenhaus umhören müssen, und es fällt mir wirklich sehr schwer, Frau Brauer… aber würden Sie nicht selbst sagen, daß man vermuten könnte, Sie hätten Ihr Einverständnis zu der erwähnten Organspende davon abhängig gemacht, Ihr Mann müsse noch für einige Tage… also, einige Zeit leben bleiben…«
Sie springt weder auf, noch regt sie sich sonderlich auf, aber sie kommt sofort auf den Punkt: »Wie wär’s, wenn Sie mir auch noch unterstellen, ich hätte Lachnitz für diesen… Liebesdienst Geld gegeben?«
»Also, wenn ich ehrlich bin«, sagt Petersen, »und ich bin immer ehrlich – bei den Summen, die hier im Spiel waren, würde ich es nicht für ausgeschlossen halten!«
Frau Brauer schenkt Kaffee nach. »Ein überaus unerfreuliches Gespräch, wider Erwarten. Ich will die Sache jedoch auch meinerseits beim Namen nennen… Ich hätte Professor Lachnitz Geld gegeben, wenn ich mir in dieser Hinsicht auch nur etwas davon versprochen hätte; nur… es ging ihm vorrangig um andere Dinge als Geld…«
»Und um welche? Was haben Sie ihm gegeben?«
»Meine Güte, Sie wissen es doch! Sie sagten es doch schon; natürlich tatsächlich die Nieren meines Mannes!«
»Sie haben also wortwörtlich mit Herrn Professor Lachnitz darüber gesprochen?« fragt Petersen schließlich.
»Natürlich. Deshalb kommen Sie extra her?«
Es passiert dem Leichenbestatter zum ersten Male in seiner Laufbahn, daß es ihm die Sprache verschlägt. »Sie können aber doch… Sie haben doch sicher einen Rechtsanwalt?« sagt er in seiner Verwirrung, gegen die Regeln der Kunst.
»Was soll’s?« sagt sie. »Ich habe nichts Strafbares getan. Ich habe lediglich den Professor gebeten, das Leben meines Mannes so lange wie möglich zu erhalten. Ich habe abermals nichts Strafbares getan, als ich ihm erlaubte, das eine oder andere Organ zu entnehmen, falls es doch zu Ende gehen sollte!« Sie nimmt einen Schluck Kaffee; die Hand, die die Tasse hält, zittert nicht. »Daß das Ganze zufällig mit einer günstigen Erbfolge für meine Kinder – Konrads und meine Kinder! – zusammentraf…« Achselzucken. »Das hätte mein Mann an meiner Stelle genauso gemacht.«
Sie sehen sich an – und sie wissen beide, wie unmoralisch diese Rechnung ist. Gerade weil sich dieses Geschäft nicht in die Paragraphen eines Vertrags oder gar des Strafgesetzbuchs pressen läßt…
»Warum also sollte ich meinen Anwalt konsultieren?« fragt Frau Brauer. »Es würde der Sache möglicherweise nur eine unerwünschte Publizität verschaffen, und am Ende würd’s ausgehen wie das Hornberger Schießen. Ausschließlich deshalb habe
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