Ein EKG fuer Trimmel
fahrbereit.
»Ich muß nur noch eben«, sagt der verstörte Höffgen, »nur noch eben…«
Ja, natürlich: er muß noch Petersen benachrichtigen; alles unter den Augen des Präsidenten: Dabei sollte Höffgen als Polizist an Unvorhergesehenes gewöhnt sein… aber nein, in der Aufregung läßt er alle Zügel schleifen und denkt weder an die Biegler-Sisters noch an sonstwen. »Was ist denn da passiert? Noch ein Autounfall?«
»Ich glaub eher, daß es sich um den alten Unfall handelt«, sagt der Präsident. »Es gab offenkundig unerkannt gebliebene Schädelverletzungen…«
Höffgen ist reisefertig.
»Viel Glück für Trimmel!« sagt der Präsident. »Tun Sie Ihr möglichstes! Gehen Sie aber, wie gesagt, auch behutsam vor!«
Erst fährt er zu Trimmels Wohnung.
»O Gott!« sagt Gaby, während er in zwei, drei Sätzen alles erzählt. »Natürlich fahr ich mit!«
Sie rasen durch die Nacht, was der Mercedes hergibt. Erst als die Autobahn leer wird, beginnt Höffgen zu reden.
»Ungewöhnlich, daß ausgerechnet Becker ihm das Leben gerettet hat…« Es ist zwar noch nicht gesagt, daß er es auch geschafft hat, aber das braucht Gaby ja nicht zu wissen.
Gaby antwortet nicht.
»Er hatte gleich ein komisches Gefühl; ich hab mich mehrfach gewundert, bevor er nach Wildungen fuhr. Er hielt Professor Becker, für ziemlich verdächtig im Fall Tennessy und wollte ihn… Tja, und ausgerechnet dabei…«
Ausgerechnet dabei hat’s ihn erwischt. Und wenn er mit dem Leben davonkommt, was wirklich noch nicht abzusehen ist, dann verdankt er es möglicherweise einzig und allein seinem Mordverdächtigen!
Gaby sagt immer noch nichts. Sie denkt nur an Paul Trimmel, der vielleicht immer noch auf dem Operationstisch liegt; an Paul, der in den letzten Tagen so still war, als sei ihm nicht gut, als habe er ständig Schmerzen… Zwischendurch betet sie ein bißchen.
»Mögen Sie ihn eigentlich?«
»Natürlich«, sagt Höffgen spontan. »Genau wie Sie…« Und nach einer Weile: »Aber Sie brauchen es ihm ja nicht weiterzusagen…«
»Nein, nein…« Ob sie dazu überhaupt noch mal Gelegenheit hätte? denkt sie verzweifelt.
Zumindest die erste mehrstündige Operation hat Trimmel überlebt. Beckers erste Diagnose, als er sah, daß eine Pupille unnatürlich geweitet war, hat sich schon beim Arteriogramm bestätigt: ein epidurales Hämatom. Eine Blutung zwischen der Schädelinnenfläche und der harten Hirnhaut, verursacht und aufgetreten durch einen unerkannt gebliebenen Schädelbruch. In der buchstäblich letzten Minute für Trimmel ist der Neurochirurg Professor Linds in Beckers Klinik erschienen und hat dort, zwangsläufig mit Beckers Assistenz, die Operation vorgenommen – das Blutgerinnsel entfernt, das die Hirnhaut immer mehr vom Schädelknochen abwühlte.
»Ein derart langes Intervall zwischen Verletzung und endgültigem Eintritt der Bewußtlosigkeit wie hier habe ich noch nicht erlebt…«
Kopfschüttelnd hat sich Professor Linds verabschiedet. Er wird gleich morgen früh seinen Oberarzt schicken und ist im Notfall die Nacht über erreichbar.
An Trimmels Bett auf der Intensivstation, umstellt von medizinischen Apparaten, sitzt ständig eine Schwester. Sie muß sich sogar ablösen lassen, wenn sie zur Toilette geht. Becker tut wirklich alles für den Mann, der ihn, wohl in einer momentanen Verwirrung, einen Ganoven genannt hat.
Becker sitzt in seinem privaten Arbeitsraum. Seine Hände zittern; er trinkt den Scotch Soda, den ihm seine Frau Charlotte gegeben hat.
»Du hättest ihn ohne weiteres sterben lassen können«, sagt Charlotte Becker. »Epidurales Hämatom – niemand hätte dir einen Vorwurf machen können, wenn du zwei Stunden die Hirnblutung nicht erkannt hättest…«
»Doch«, sagt Becker. »Ich selbst!«
»Unsinn… du bist Urologe und nicht Neurologe…«
»Aber ich bin Arzt, zum Teufel! Hör damit auf!«
Ein schrecklicher Tag. Erst Munck, dann Trimmel. Der eine erpreßt ihn, der andere beschuldigt, ja bedroht ihn – und mit einemmal fällt der einfach um und führt ihn in die schlimmste Versuchung seines Lebens! Und nun auch noch Charlotte, zu allem anderen…
»Deutschlands einst mit Abstand jüngster Medizinprofessor am Ende«, sagt Charlotte bitter, »der Mann, der die Lehrstühle serienweise ausgeschlagen hat, stolz wie Oskar, die Frau hat’s ja, dafür hat er ja auch Europas beste Privatklinik für urologische Chirurgie…«
»Hör auf!« sagt Becker nochmals.
»…
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