Ein Elefant im Mückenland
Angebot war auch so genannter Schusterlachs, schließ-lich lebte man in einer maritimen Gegend. Aber Satakunta ist auch eine Landwirtschaftsregion, und so hatte Kaarina einen großen Kessel mit Schweinefleisch gekocht. Sie empfahl ebenfalls ihren Kohlrübenauflauf und forderte die Gäste auf, tüchtig zuzulangen.
Zu trinken gab es Buttermilch, Hausbier und Wasser. Zum Abschluss löffelte man nach einheimischer Traditi-on einen Teller Gerstengrütze.
Nach der Grütze kam man auf das Thema des Tages, nämlich Emilias künftiges Schicksal, zu sprechen. Da der Mietvertrag für die Glasfabrik Ende Mai auslief, musste für den Elefanten vorher eine neue Unterbrin-gung gefunden werden.
Bauer Paavo erklärte, dass auf seinem Gut Platz für Emilia wäre, zum Beispiel im leer stehenden Kuhstall, und Auslauf für das Tier gäbe es in den umliegenden Wäldern. Mit einiger Fantasie fände man auf dem gro-ßen Gut sicherlich auch praktische Einsatzmöglichkei-ten für einen Elefanten. Man brauchte ihn ja nicht direkt vor einen Pflug zu spannen, aber er könnte dünne Bäume fressen und so beim Ausdünnen der Wälder helfen.
Tierarzt Seppo Sorjonen war von dem Gedanken sehr angetan:
»Gerade Faserpflanzen sind sehr wichtig für Elefan-ten.«
Er erzählte, dass die Tiere mühelos handgelenkdicke Erlen und Birken verputzen konnten. Ein Elefant fraß, indem er die Nahrung in Vorwärts- und Rückwärtsbe-wegungen zermalmte, seine Kiefern bewegten sich nicht in seitliche Richtungen, so wie die der anderen Säugetie-re. Deswegen verschlangen die Tiere auch so viel, das Maul eines Elefanten funktionierte etwa so ähnlich wie ein Spanhobel.
Kaufmann Taisto Ojanperä bedankte sich für das Es-sen und lud gleichzeitig die ganze Gesellschaft ein-schließlich der Gastgeber zum nächsten Sonntag glei-cher Zeit in sein Haus ein. Bis dahin hätte man sicher-lich schon eine Lösung hinsichtlich Emilias Sommerges-taltung gefunden.
Bauer Paavo schien sehr angetan von Emilia. »Sie wä-re eine prima Gesellschaft, oder was meinst du, Kaarina?«
»Ich bin nicht recht an Elefanten gewöhnt. Die Katze ist Mühsal genug«, sagte seine Frau und räumte den Tisch ab.
WOFÜR MAN EINEN ELEFANTEN
AUF EINEM LANDGUT VERWENDEN KANN Bauer Paavo spielte mit dem Gedanken, Emilia künst-lich zu befruchten und Nachkömmlinge zu züchten. Wenn er nun auf seinem Gut eine kleine Elefantenherde gründete? Er könnte die großen Feldflächen mit Elefan-tenkraft pflügen – nun ja, Kaarina würde in dieses Pro-jekt nie einwilligen. Heutzutage bestimmte auf einem Bauernhof nicht mehr nur der Bauer allein, sondern die Bäuerin hatte ebenso großes, ja manchmal sogar noch größeres Mitspracherecht.
Auch sonst war das Los eines Landwirtes hart in den nördlichen Breitengraden, besonders jetzt, da die Euro-päische Union über das Leben der finnischen Bauern bestimmte. Der uralte Begriff vom freien Bauern hatte schon längst seine Bedeutung verloren und bot sogar in zunehmendem Maße nur noch Anlass zu Hohn und Spott.
In der Nähe des Gutes Köylypolvi befand sich der See Köyliönjärvi, dessen Name aus demselben Wortstamm gebildet war. An diesem See waren, jeweils am entge-gengesetzten Ufer, Denkmäler für zwei Feinde aus alter Zeit errichtet worden. Am östlichen Ufer des Sees stand der Gedenkstein für den Heiligen Henrik, und gegen-über, am Westufer, das Denkmal seines Mörders, des Bauern Lalli. Seufzend dachte Paavo bei sich, dass heutzutage keine Männer vom Schlage eines Lalli mehr geboren wurden, Männer, die imstande waren, sich gegen die Obrigkeit zu erheben. Er selbst verlor ja zum Beispiel bereits die Herrschaft bei der Führung seines Gutes. Seine Frau hatte, nachdem die Gäste gegangen waren, kurz und bündig erklärt, dass auf Köylypolvi niemals ein Elefant Haustier werden würde. Kaarina, die in der Gegend spöttisch Kaarina Maununtytär, Tochter des Maunu, genannt wurde, hatte in Fragen des Guts-betriebes ein gewichtiges Wort mitzureden. In ihrer strengen Art war sie tatsächlich eine Kaarina Maununtytär, zwar nicht mit einem König verheiratet, aber sie stammte aus einer wohlhabenden Familie. Ihr Großvater Maunu Kamskeri war einst ein gewiefter Schnapsschmuggler gewesen, hatte während des Alko-holverbots heimlich Schnaps auf die vorgelagerten Schä-ren und Inseln geschafft und war in jenen nach Fusel riechenden Jahren zu Reichtum gelangt. Er hatte sich im Dorf Köylypolvi ein Landgut gekauft und sich den Ruf eines achtbaren und
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