Ein Elefant im Mückenland
war. Er hatte, ohne es zu wollen, einen Elefanten ernährt. Ganz Satakunta redete darüber. Er fing an zu brüllen, was er eigentlich mit Elefanten zu schaffen habe. Er sei nicht im Mindesten verpflichtet, die scheißenden Vielfraße abgehalfterter Zirkuskünstler zu ernähren. Ein finnischer Bauer stehe sich ohnehin so schlecht, dass er kaum den Tisch der eigenen Familie decken könne.
Bauer Paavo wetterte quasi zum eigenen Vergnügen, es tat ihm gut. Schade nur, dass es heutzutage selten Gründe für eine große Wut gab, aber hier war tatsäch-lich mal reichlich Anlass gegeben.
Bald war sein größter Zorn verraucht. Er hatte natür-lich gewusst, was da während des Frühjahrs in seinem Futterlager abgelaufen war. Jetzt, bereits völlig versöhnt, begann er zu überlegen, wie er die diffizile Angelegenheit regeln sollte.
Die Diebstähle hatten womöglich schon im Winter be-gonnen. Der Schwund betrug Tausende von Kilos, es war eine große Menge, aber auch Paavos Landgut war groß, sodass das fehlende Futter letztlich nicht ins Gewicht fiel. Die Polizei wollte er jedenfalls nicht ein-schalten. Im Grunde genommen erschien es ihm ange-messen, auf diese Weise bei der Ernährung des exoti-schen Tieres zu helfen, hatte er doch Verständnis für die Schwierigkeiten der armen Zirkusprimadonna.
Auf jeden Fall musste er sich mit der Sache befassen, da seine Frau es verlangte. Diebstahl war ein Verbre-chen, das man eigentlich nicht billigen durfte. Paavo war es gewohnt, dass seine Frau Forderungen stellte, auf die er stets irgendwie eingehen musste. Sie war die Mitei-gentümerin des Gutes, und dieses war so groß, dass an einen Streit zwischen den Ehepartnern und eine mögli-cherweise daraus folgende Scheidung nicht zu denken war. Das jahrhundertealte Erbgut wäre dadurch zerfal-len.
Paavo rief im Laden von Hormistonmäki an, in dem Zirkusprimadonna Lucia Lucander den Gerüchten zufolge arbeitete und in dessen Obergeschoss sie auch wohnte. Der Kaufmann sagte ihm, dass Lucia in der Glasfabrik sei, aber dort gebe es kein Telefon. Also belud Paavo einen Anhänger mit zweitausend Kilo Heu und fuhr mit dem Traktor zur Glasfabrik.
Er überraschte Lucia und Laila dabei, wie sie den Ele-fanten gerade mit dem gestohlenen Heu fütterten. Der Bauer stellte sich vor und brüllte dann los, dass er keine Raubzüge auf seinem Gut dulde, er habe stets ehrlich gelebt, und dasselbe verlange er auch von anderen. Diebstahl sei ein Verbrechen, und da halfen auch keine blauen Augen, sondern auf so etwas stehe Gefängnis.
Lange hielt er den Ton nicht durch, sondern knurrte schließlich nur noch, dass das Futter nicht länger uner-laubt und im Schutze der Nacht bei ihm stibitzt zu werden brauchte.
»Von jetzt an schaffe ich mit dem Traktor so viel Fut-ter her, wie dieses Tier irgend fressen kann. Auf Köylypolvi haben wir immer so viel übrig, dass ein Ele-fant miternährt werden kann.«
EINE FESTTAFEL IN SATAKUNTA
Bauer Paavo stand da und bestaunte Emilia. Sie war wirklich riesig. Wenn er dieses gewaltige Tier etwa vor einen vierscharigen Pflug spannen würde, ließen sich die lehmigen Äcker bequem aufbrechen, der Effekt wäre beachtlich. Hätten seine Vorväter diesen Riesen zum Beispiel Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zur Verfü-gung gehabt, hätte man zumindest in Satakunta nicht gehungert. Ein Elefant bei der Feldarbeit wäre der Ga-rant für Wohlstand gewesen. Emilia stand fest und ruhig auf ihrem Strohbett, sah Paavo vertrauensvoll in die Augen und brummte freundlich. Sie hatte einen natürlichen Instinkt und betrachtete anständige Men-schen als Freunde, auch wenn diese mal herumbrüllten. Sie streckte Paavo ihren gewaltigen Rüssel entgegen.
»Emilia sagt guten Tag«, erklärte Lucia. Paavo trat vorsichtig näher heran und umarmte zö-
gernd den Rüssel. Eine wahrhaft seltsame, Begrüßung. Emilia seufzte tief und brummte zufrieden.
Laila Länsiö erkundigte sich schüchtern, wie der Bau-er erfahren hatte, dass sie und Lucia sich an den Fut-tervorräten seines Gutes bedient hatten. Dasselbe wollte auch Lucia wissen. Die Frauen hatten sich eingebildet, lautlos vorgegangen zu sein, ihre Spuren verwischt und die Transporte verheimlicht zu haben wie professionelle Gangster. Paavo sagte darauf, dass in Finnland und speziell in Satakunta außergewöhnliche Aktivitäten nie unbemerkt blieben. Alles wurde registriert und im Ge-dächtnis gespeichert, nichts blieb geheim.
»Was wird die Folge sein?«, fragte Lucia besorgt. Sie und
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