Ein Elefant im Mückenland
gern, dass Paavo noch ein paar Tage bliebe und ihm beim Dach des neuen Kuhstalls half. Das war freilich ein ganz anderes Ding als das Kellerdach, aber ganz sicher würde Paavo auch das bestens bewältigen. Tauno hatte zu Beginn des Sommers das Fundament und das Gerippe aus ge-schwungenen, geleimten Balken gebaut, und jetzt sollte das Material für das Dach kommen. Er hatte bereits ein paar Nachbarn engagiert, aber eine zusätzliche Kraft wäre eine große Hilfe.
Paavo fragte Lucia, wie sie darüber dachte, und sie hatte nichts einzuwenden. Es würde angenehm sein, die Tage bis Mittsommer bei den Riekkinens zu verbringen, sie kam gut mit Eeva aus, und Emilia hätte Zeit, sich
ans freie Landleben zu gewöhnen.
Die Dachelemente kamen am nächsten Morgen. Es waren leichte, schmale Blechplatten, innen drin befand sich als Isolierung Zellkunststoff. Die Platten ließen sich gut von einer Person handhaben, sie waren mehr als zehn Meter lang, aber nur einen Meter breit. Der gesam-te Kuhstall war genau 62,5 m lang und 22 m breit, und Tauno erzählte, dass im Winter neunzig Kühe darin Platz finden würden. Vorher könnten die Kühe den Fortgang der Arbeiten von der Weide aus verfolgen. Bei starkem Regen sollten sie sich im alten Kuhstall aufhal-ten.
»Eeva und ich haben uns das System gemeinsam ausgedacht, hauptsächlich geht es uns darum, den Anteil der manuellen Arbeit möglichst gering zu halten. Außerdem war uns wichtig, dass die Tiere schnell zur Melkstation und wieder zurück gelangen, dass es keine Staus gibt und alles so läuft, wie es soll«, erklärte Tauno sowohl Paavo als auch seinen Helfern. Er freute sich, denn die Arbeit ging flott voran. Ein Teil der Männer half dem Fahrer des Kranwagens, die Elemente von der Ladefläche zu heben und an den Haken des Krans zu hängen, die anderen nahmen die Elemente entgegen und setzten sie sofort ein. Paavo stand an der höchsten Stelle des Daches und leitete die Arbeiten. Er hatte ein natürliches Talent zum Chef, aber er half auch selbst und setzte so viele Elemente ein, wie er irgend konnte.
Sie arbeiten bis in die späten Abendstunden, um das Dach vollständig zu schließen. Zur Nacht war Regen angesagt, der aber zum Glück nicht kam. In der Sauna sagte Tauno, dass Regen in der gegenwärtigen Bauphase nicht gut gewesen wäre, wenngleich er keine Schimmel-bildung befürchtete. Während er sich in dem heißen Dampf duckte, konstatierte er zufrieden:
»Zellkunststoff trotzt den schwierigsten Bedingungen. Diese Wärmeisolierung garantiert, dass das Dach selbst bei strengem Frost nicht kondensiert und sich in der Sommerhitze nicht wellt. So haben sie es mir in der Fabrik geschworen.«
Zwischen den einzelnen Saunagängen bewunderten sie draußen ihr Tagewerk. In der dunklen Kühle des späten Abends glänzte das neue Dach wie ein matter Spiegel, es sah teuer und elegant aus. Tauno sagte, dass in Ställen dieses Typs die Kühe manchmal bösartig wurden und sich gegenseitig am Fressen hindern. In seinem Stall dürfte es dieses Problem jedoch nicht ge-ben, denn die Fressplätze kämen an die Seitenwände zwischen die Balken. Dort würde nicht mal das wildeste Rind Gelegenheit haben, andere zu stören. Das Gebäude war in jeder Hinsicht prima und gut geplant, aber des-wegen war das Leben des Landwirts trotzdem nicht leicht:
»Dauernd zwingt uns die Europäische Union, dämli-che Berichte zu schreiben, ginge das Ganze nicht auch mit weniger Papier?«, meinten die Bauern, während sie da mit einem Handtuch um die Hüften auf der Baustelle standen. Später, wieder in der Sauna, erzählte der Fah-rer des Kranwagens, dass er noch nie im Leben einen derartigen Schrecken bekommen hatte wie an diesem Morgen, da er mit der Fuhre zu den Riekkinens unter-wegs gewesen war. Er hatte im Wald einen lebenden Elefanten gesehen.
»Beinah wäre ich im Straßengraben gelandet, ich dachte, ist das ein Felsen oder wirklich ein echter Ele-fant?«
Er hatte sein schweres Fahrzeug gestoppt und gese-hen, dass bei dem Elefanten zwei Frauen waren. Sie hatten ihm den Weg zur Baustelle gewiesen und erzählt, dass der Elefant Emilia heiße und dass er ganz zahm und ein ehemaliges Zirkustier sei.
»Einmal bin ich in eine Gruppe von fünf Elchen gefah-ren, aber so was wie heute war noch nie da«, sagte er und schüttete eine Kelle Wasser auf den Ofen. Sanft zischend gab der Ofen sein Bestes, um zum Wohlbefin-den der Männer beizutragen.
»Was ist aus den Elchen geworden?«, fragte Paavo. »Was schon,
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