Ein Elefant im Mückenland
Kommt nicht in Frage!«
Die letzten Ölflecke ließen sich erst in den frühen Morgenstunden in der Sauna beseitigen. Auch die Frau-en kamen hinzu und brachten das Bier mit.
Am Morgen versuchten die Riekkinens ihre Gäste zu überreden, mit ihnen Mittsommer zu feiern, aber Lucia und Paavo fanden, dass sie schon allzu lange geblieben waren. Sie mussten weiter, wenn sie rechtzeitig am Saimaa-Kanal sein wollten.
Tauno Riekkinen wollte Paavo denselben Lohn zahlen wie seinen anderen Helfern, aber Paavo lehnte Geld ab.
»Ich habe schon welches und brauche nicht noch mehr, aber vielleicht kannst du Emilia Kartoffeln geben.«
Sie vereinbarten, dass Emilia die überjährigen Kartof-feln aus dem Erdkeller bekäme, es waren noch fast tausend Kilo. In den Kisten lagerten auch noch zwei-hundert Kilo Äpfel vom vorigen Herbst, die Bauersleute hatten sie schlicht vergessen.
Paavo sollte nach Mittsommer Tauno per Handy in-formieren, wohin er die Kartoffeln und Äpfel mit dem Traktor bringen sollte. Sie sahen sich die Landkarte an und kamen zu dem Schluss, dass sich die Elefantenex-pedition Ende Juni vielleicht schon in der Nähe von Nokia befände. Nach einem herzlichen Abschied wurde der Sattel samt Baldachin auf Emilias Rücken gehievt, und Lucia und Paavo stiegen auf. Der Elefant hatte gefressen, Mittsommer stand bevor. Paavo und Lucia beschlossen, über Nacht zum nahen Sääksjärvi zu reiten. Es war das größte Gewässer in der Gegend, und am Ostufer fänden sie vielleicht einen hübschen Platz für einen ruhigen Mittsommerabend.
Lucia und Eeva waren am Vortag im Kirchdorf gewe-sen und hatten Vorräte fürs Fest eingekauft, Lucia hatte unter anderem auch bei Alko zwei Flaschen Schaum-wein erworben. Als die beiden Reiter das Westufer des Sees erreichten, öffneten sie eine der beiden Flaschen und nahmen einen Drink. Paavo studierte die Karte. Der See war knapp zehn Kilometer lang und vielleicht fünf Kilometer breit. An seinem Südwestufer lag eine Gruppe kleiner Inseln, aber sonst war er offen. An der südöstli-chen Bucht befand sich der Karte zufolge ein Camping-platz, dort könnten sie ihr Quartier aufschlagen. Sie überlegten, von welcher Seite sie den See am besten umrunden sollten, aber Emilia löste das Problem auf ihre eigene, elefantenhafte Weise. Sie hob den Rüssel und trabte majestätisch geradewegs in den See. Sie wollte schwimmen. Das Wasser war warm und die Ober-fläche vollkommen ruhig. Warum nicht, sagten sich Lucia und Paavo. Ein geruhsames Bad zu Mittsommer war eine wirklich hervorragende Idee.
Emilia musste gut zweihundert Meter durch den fla-chen Uferstreifen waten, ehe sie richtig schwimmen konnte. Sie genoss das klare Wasser und den milden Abend ungemein. In ihrem Kielwasser folgten ein paar Wildenten, die ganz offensichtlich gefüttert wurden und zahm waren. Emilia schien an der Gesellschaft der gackernden Tiere Spaß zu haben, sie spritzte mit dem Rüssel eine Wasserfontäne auf den Entenschwarm. Die Tiere erschraken und flogen auf. Es sah aus, als wäre Emilia verlegen und schämte sich ein wenig, dass sie das zutrauliche Geflügel verscheucht hatte. Paavo peilte mit dem Kompass das Südostufer an, Emilia wollte jedoch mitten in den See hinausschwimmen. Sie war eigensinnig, aber zu Ehren von Mittsommer ließen die beiden Reiter sie gewähren. Lucia und Paavo prosteten sich zu, ganz unter dem Eindruck des schönen Festes der Sonnenwende. Längs des Seeufers flammten Lager-feuer auf, von fern tönten Musik und Gesang herüber. Auf der stillen Wasseroberfläche bildeten sich hübsche kleine Wellen, als der riesige Elefant hingebungsvoll seine Bahn zog. Ein großer Hecht platschte direkt neben Emilias Rüssel im Wasser herum, doch sie nahm keine Notiz davon. Die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt, aber wie man weiß, ist das finnische Mittsommerfest im Grunde genommen ziemlich gefährlich.
EIN ELEFANT
GERÄT INS FISCHERNETZ
Die schöne Stimmung hätte womöglich bis spät in die Nacht angehalten, wenn der Elefant nicht in ein Fi-schernetz geraten wäre. Es passierte etwa auf der Hälfte der Schwimmstrecke, an einer Stelle, wo von Süden her eine Landzunge weit in den See hineinragte, die Entfer-nung bis dorthin betrug etwa einen Kilometer. Die ganze Uferzone war voller langer Treibnetze, zu Dutzenden lagen sie dort, die Fischer vom Sääksjärvi waren fleißig gewesen. Emilias Vorderbeine verfingen sich in den Leinen, und während sie strampelte und sich zu befrei-en versuchte, geriet sie in
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