Ein Elefant im Mückenland
veranlassen, in Lielahti nach Osten abzubiegen, in Richtung Särkänniemi und Kangasala. Emilia war jetzt in so ausgelassener Stimmung, dass sie selbst bestimmen wollte, wohin es ging. Genauso starrköpfig sind auch betrunkene Menschen.
Seppo Sorjonen erstellte schnell die Diagnose: Die Äp-fel hatten begonnen zu gären, in ihnen hatte sich Alko-hol gebildet, und als Emilia sie gefressen hatte, hatte sich der Gärungsprozess nur noch beschleunigt.
»Es war eine ähnliche Reaktion wie die bei der Her-stellung von Schnellbier. In Studentenzeiten haben wir so was ausprobiert, viele Male.«
Aus Tampere kam ihnen ein Polizeiauto mit Blaulicht und heulenden Sirenen entgegen, Paavo musste das Telefonat beenden. Von hinten näherte sich aus Nokia ein Krankenwagen. Emilia kümmerte sich nicht im Mindesten um die beiden Fahrzeuge. Sie preschte mit ihrem ganzen riesigen Gewicht auf den Vergnügungs-park von Särkänniemi zu, dabei bestand ständig die Gefahr, dass sie den übrigen Verkehr niedertrampelte, denn ein kleiner PKW hätte sie kaum aufhalten können.
Der Elefant ist ein Passgänger und galoppiert nicht gern, aber selbst im Trab erreicht er ein enormes Tempo. Auf ihrem Weg nach Särkänniemi hätte sich Emilia garantiert ein Bußgeld für überhöhte Geschwindigkeit eingehandelt. Jetzt allerdings hatten die Polizisten weder die Gelegenheit noch den Mut, den Elefanten zu stop-pen. Sie waren vollkommen verblüfft von dem Schau-spiel, das sich ihnen bot. Über die Landstraße preschte ein gewaltiger Elefant, auf dem Rücken eine große Sat-telkonstruktion mit einem leuchtend blauen Markisen-dach, das im Fahrtwind flatterte. Unter dem Baldachin saßen zwei erschrockene Reisende, ein Mann und eine Frau. Mit wehenden Haaren hielten sich Lucia und Paavo am Vorderrand der Sattelkiste fest. Eine Vorstel-lung dieser Art hatte es in Tampere noch nie gegeben, und sie würde sich auch nicht wiederholen. Emilia war das erste Mal in ihrem Leben betrunken, und das war kilometerweit zu sehen und zu hören. Aus ihrem Hin-tern kam ein kräftiger Furz, und kurz vor der Abzwei-gung nach Särkänniemi ließ sie einen mächtigen Haufen Dung fallen, der direkt an die Windschutzscheibe des hinter ihr fahrenden Ambulanzwagens klatschte. Die Reiter hatten keine Gelegenheit, sich für diesen peinli-chen Gruß zu entschuldigen, denn Emilia schien es nur immer eiliger zu haben.
Das Polizeiauto, das aus Tampere, aus der Gegenrich-tung, gekommen war, wendete vor Pispala kühn ent-schlossen und folgte dem Elefanten. Der Krankenwagen fuhr an die Seite und hielt an, und der Arzt begann den Elefantenmist von der Windschutzscheibe zu kratzen. Emilia versuchte in den Vergnügungspark abzubiegen, aber Lucias Peitsche veranlasste sie im letzten Moment, darauf zu verzichten. Ohne auf Lucias Kommandos zu hören, strebte sie nun nach Tampere. Sie trabte direkt in die Stadt hinein, wo bereits zwei weitere Polizeiautos warteten. Über Lautsprecher gaben die Polizisten Lucia und Paavo Anweisungen, sie fragten, ob sie Straßen-sperren errichten sollten und was das Ganze eigentlich zu bedeuten hatte. Paavo brüllte zurück, dass der Ele-fant durchgegangen war und dass man ihn nicht ge-waltsam stoppen konnte.
»Dies ist ein zahmer Elefant, bitte nicht schießen!«, schrie Lucia.
SCHWARZE WURST
IM RÜSSEL DES ELEFANTEN
In einem Polizeikonvoi raste Emilia ins Zentrum von Tampere. Lucia und Paavo saßen im Sattel und versuch-ten den Polizisten zuzurufen, dass man das irgendwie überstehen werde und dass der Elefant lediglich zufällig betrunken sei. Dabei eskalierte die Situation ständig.
Kurz vor der Brücke konnten Lucia und Paavo die be-trunkene Emilia endlich so weit besänftigen, dass sie in der westlichen Hauptstraße vor einem Fleischerladen stehen blieb. Im großen Schaufenster sah sie ihr Spie-gelbild und wurde wütend, denn sie hielt es für einen drohenden Gegner. Emilia wollte sich dem Gegner nicht beugen und stürmte geradewegs durch die Fenster-scheibe in den Laden, Lucia und Paavo ließen sich im letzten Moment hinunterfallen. Das Geklirr rief drei Polizeiautos und den Ambulanzwagen der Feuerwehr von Nokia herbei. Neugierige versammelten sich und bestaunten das Chaos. Zu guter Letzt standen fast tausend Leute herum, denn in den Kinos endete gerade die Abendvorstellung, und die Zuschauer strömten auf die Straße. Unter ihnen befanden sich auch etwa zwan-zig Grüne, die dem Ereignis im Fleischerladen entnah-men, dass der Elefant gewaltsam an
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