Ein Engel an Güte (German Edition)
blieben, die beide gleich aussichtslos waren.
« Hast du mit deinem Vater gesprochen?», fragte Chirichillo.
« Er war vor wenigen Minuten hier», antwortete Morosina traurig.
« Und was hat er gesagt?»
« Nun, er war sehr erfreut über mein glänzendes Los», erwiderte sie bitter.
« Dann hat er dir also geraten, den Antrag anzunehmen? »
« Es ist ihm nicht einmal ein Verdacht gekommen, dass ich mich weigern, mich seinen und Seiner Exzellenz Wünschen widersetzen könnte oder wollte.»
« Dann», sagte Chirichillo mit einem Seufzer,« dann hilft nur ein Mittel.»
« Welches?», rief das Mädchen und richtete sich auf; sie hing an Chirichillos Lippen, wie um zu sagen:« Sprich mir vom Unmöglichen, und ich will es glauben, heiß mich ein Wunder tun, und ich will versuchen, es zu vollbringen.»
« Gehorchen!», antwortete der mit tiefer Stimme.
Die Ärmste erschauderte am ganzen Leib, und der Schmerz, der einen Augenblick lang nachgelassen hatte, fiel ihr mit umso größerer Wucht wieder auf die Seele.
« Denen gehorchen, die Gott über dich gestellt hat; und sollte dir später scheinen, dass ihr Wille und ihr Wunsch den himmlischen Geboten widersprechen, Gott um Erleuchtung anflehen und nur ihm allein gehorchen.»
Das Mädchen ließ sich in die Kissen zurückfallen; mit geschlossenen Augen, den Mund halb geöffnet, eine schreckliche Blässe im ganzen Gesicht, lag sie da wie tot.
« Nein, mein Kind, verzweifeln gilt nicht», flüsterte der Gerichtsschreiber ihr ins Ohr.«Bedenke, dass du hier auf Erden und im Himmel eine ganze Ewigkeit zu leben hast und dass diese Opfer dir einst die höchste Glückseligkeit eintragen werden und die Macht, diese an andere weiterzugeben, was ein noch größeres Gut ist. Deshalb ertrag diese traurigen Tage, die rasch vorübergehen, mit Gleichmut und weihe sie dem, der sie dir auferlegt, heiteren Sinnes; und verwende sie zum Wohl der Seelen, denen dich Gott in Seinem unerforschlichen Ratschluss und Seiner Güte trotz aller Ungleichheit zur Seite hat geben wollen.»
Morosina seufzte, sagte aber kein Wort.
« Schließlich, mein Kind», fuhr der Alte fort,« ist das Übel auferlegt als Buße: Frag nicht, woher noch warum oder wann, sondern ertrage es in Demut. Oft auch ist das Übel Quell des Guten; ertrage es also mit Zuversicht. Gott sei Dank sind in deiner Seele Prinzipien verankert, die dich nicht lange in dieser Niedergeschlagenheit werden verharren lassen. Richte dich also auf und sei stark: stark in deiner Güte, im Ertragen all jener Dinge, die dir aus deiner beschränkten Sicht unheilvoll erscheinen.»
Die Ärmste faltete die Hände und wandte den Blick gen Himmel.
« So, so will ich dich sehen!», rief Chirichillo frohlockend.«Warum hast du nicht schon vor einer Stunde diese Haltung eingenommen...? Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich es sein, der deines Trosts bedarf, nicht du des meinigen. Nach oben, ja, nach oben muss man sich wenden, mein Kind; immer nach oben, wenn unsere Kräfte schwinden. Und beten, beten, um sich dann umso erbarmungsvoller und tatkräftiger wieder dem Leben zuzuwenden.»
« Ich werde gehorchen!», sagte Morosina leise.
« So ist’s recht, meine Tochter!», sagte der Alte.« Du wirst gehorchen und damit eine hochheilige Pflicht erfüllen. Wer weiß, zu welchem guten Zweck der Herr dich auserwählt hat, um dich auf diesen Weg zu führen? Wer weiß, welche Belohnung dich erwartet, vielleicht nicht hier, nicht hier, aber in anderen Zeiten, anderen Ländern, vielleicht auch droben im Himmel, für deine Güte und deine Stärke!»
Nach und nach ließ das Mädchen sich von den warm empfundenen Worten des Alten überzeugen und zu solchem Heroismus der Resignation bekehren; sie warf sich an seinen Hals und sagte:« Gebe Gott, mein Alter, gebe Gott, dass wir für immer vereint bleiben, wie unsere Herzen es auf immer sind.»
« Addio, mein Kind», sagte Chirichillo und küsste sie auf die Stirn.«Erbitte Erquickung vom Schlaf, auf dass du morgen im Fleische ebenso gefasst sein mögest wie im Geiste.»
« Ich werde schlafen», entgegnete Morosina,« und auch dir eine gute Nacht, mein Alter!», sagte sie, drückte ihn fest ans Herz und ließ ihn fast nicht wieder los, als ahne sie, wie viel von ihrem Mut ihr sein Fortgehen nehmen würde.
Und doch, als er draußen war, verfiel sie nicht wieder in die haltlose Verzweiflung von vorher. Dieser Schmerz war keine unsägliche Qual mehr, dass ihr allein beim Gedanken daran schon schwindelte; es war
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