Ein Engel aus der Hölle
missbraucht.
Aber jetzt war sie weg!
Taktik oder nicht? Eine Antwort auf diese Frage würde er so leicht nicht bekommen, und deshalb musste er sich etwas einfallen lassen. Zunächst wollte er herausfinden, ob Fiona Recht behalten hatte. Bisher hatte er noch keinen Blick aus dem Fenster geworfen. Im Winter waren nicht alle Parzellen auf dem Platz belegt. Einige lagen frei, und so gelang ihm ein recht guter Überblick vom Heckfenster seines Fahrzeugs aus. Er schaute in Richtung Einfahrt, die an diesem Tag nicht besetzt war. Die Schranke war nach oben gestellt worden, so hatte jeder Fremde freie Zufahrt.
Und er sah einen Wagen, der recht langsam auf den Parkplatz fuhr. Wer darin saß, sah er nicht, Frank erkannte nur die Automarke. Es war ein dunkler Rover.
Durbans Spannung nahm zu...
***
Dass ein Kollege auf einem Campingplatz lebte, war auch selten. Das heißt, ich hatte es noch nie erlebt, aber Ausnahmen bestätigen ja immer die Regel, und so war es auch hier.
Außerdem konnte man Frank Durban nicht mit dem normalen Kollegen messen. Er war ein Undercover-Agent. Er konnte sich nicht dem Mainstream hingeben, er führte ein Leben wie auf einer schmalen Kante. Dichte, private Verbindungen waren schlecht für ihn. Keine Ehe, am besten keine feste Freundin, nur nicht auffallen, was in Zeiten der modernen Kommunikation bestimmt nicht einfach war, aber man musste sich eben dem Job unterordnen. Wenn herauskam, wer er wirklich war, gab die andere Seite kein Pardon. Dann würde sie eiskalt zuschlagen. Ein Menschenleben zählte in dieser Branche nicht.
So hatte es auch Frank Durban gehalten. Alle Fälle aufgeklärt, aber Zeugen gab es nicht. In keinem Fall, und das hatte ich in den Unterlagen gelesen, die bestimmt nicht lügen.
Der Platz lag in der Nähe der Themse, aber weit genug weg, dass ihn das Hochwasser nicht erreichte. Wer einen Campingplatz im Winter beurteilte, der konnte sofort wieder fahren. Ohne sattgrüne Rasenflächen, ohne belaubte Bäume und auch nur die Hälfte der Parzellen besetzt, machte er stets einen recht tristen Eindruck.
Das war hier nicht anders. Ich wunderte mich über die hochgestellte Schranke und dachte daran, dass man es um diese Zeit eben nicht so genau nahm.
Suko und ich rollten im Rover auf dem mit grauen, kleinen Schottersteinen bedeckten Weg weiter. Wir würden bald anhalten müssen, um nach dem Wagen des Kollegen zu suchen. Der beste Platz war der vor dem großen und breiten Holzkiosk.
Da Suko fuhr, wies ich auf die Hütte hin und wollte noch etwas sagen, als ich zischend die Luft einsaugte.
Das hörte auch Suko und trat auf das Bremspedal. »Was hast du?«
»Das Kreuz«, flüsterte ich. »Es hat sich erwärmt.«
Jetzt hielt Suko an. Er schielte nach links und warf mir einen verwunderten Blick zu. Dabei sah er, dass ich meine Finger unter das Hemd geschoben hatte. Die Kuppen berührten das Silber, und es war tatsächlich eine leichte Wärme zu spüren.
»Das ist keine Täuschung«, flüsterte ich meinem Freund zu. »Hier ist etwas, das die Aufmerksamkeit des Kreuzes erregt hat.«
»Na, dann sind wir ja richtig.«
»Du sagst es.«
Ich fühlte noch mal nach. Diesmal erlebte ich, dass die Wärme abnahm. Wer immer sich hier in der Nähe aufgehalten haben musste, er hatte sich entfernt.
»Ja, und jetzt?«, fragte er.
»Suchen wir den Kollegen.«
»Der für die Reaktion des Kreuzes gesorgt hat.« Mehr sagte Suko nicht.
Er startete wieder und fuhr den Rest der Strecke, bis er neben dem Kiosk stoppte.
Ich bleibe noch sitzen und lasse meinen Blick schweifen. Wohnwagen und Wohnmobile standen auf den Parzellen. Es waren nur keine Menschen zu sehen, die meisten Fahrzeuge sahen von ihren Besitzern verlassen aus.
Es zeigte sich trotzdem eine Bewegung. Nicht weit entfernt stand ein Wohnmobil mit einem Alkoven über dem Dach. Darunter öffnete sich die Fahrertür, wie Suko mir mitteilte, denn ich sah es von meiner Seite aus nicht.
Ein Mann stieg aus. Er trug einen dunklen Jogginganzug mit grünen Streifen. Die dunklen Haare, der leichte Bartwuchs, so hatten wir auch ein Bild von Frank Durban gesehen.
»Perfekt, John, wir haben ihn.«
»Du hörst dich an, als wäre er ein Gangster!«, sagte ich vorwurfsvoll.
»Denk an dein Kreuz.«
Ich lachte leise. »Glaubst du, dass die Reaktion etwas mit Durban zu tun hatte?«
»Ich will einfach nichts ausschließen. Wir müssen mit allem rechnen, und ich glaube auch nicht, dass wir hier falsch sind.«
»Das sowieso nicht.«
Der Mann, der
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