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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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erklingt die Melodie des Trauermarschs? «
    »Sie glauben es sowieso nicht«, bemerkte Goodrich betrübt. »Manchmal gibt es eine Art weißes Licht, das Sie als Einziger sehen. Aber das ist nicht das Wichtigste.«
    »Was ist das Wichtigste?«
    »Das, was Sie in Ihrem Innern fühlen. Plötzlich wissen Sie, dass die betreffende Person nur noch wenige Wochen zu leben hat.«
    »Ich bin der Ansicht, dass Sie gefährlich sind.« »Und ich bin der Ansicht, Sie sollten Candice besuchen«, wiederholte Garrett lakonisch.

Kapitel 9
    Sieh nur, wie diese kleine Kerze ihr Licht weit verbreitet!
    Genauso weit reicht eine gute Tat in einer feindseligen Welt!
    Shakespeare

    12.   Dezember
    Das Dolce Vita befand sich in einer Hauptgeschäftsstraße von St.   George.
    Um acht Uhr morgens wimmelte es hier nur so von Leuten. Vor der Theke bildeten sich zwei lange Schlangen, aber die Gäste wurden so schnell bedient, dass niemand lange warten musste. Um diese Zeit kamen hauptsächlich Stammgäste hierher, meistens Menschen, die in diesem Viertel arbeiteten und in aller Eile einen Cappuccino oder einen Donut bestellten.
    Nathan wählte einen Tisch am Fenster und wartete, bis jemand seine Bestellung aufnahm. Mit prüfendem Blick studierte er das Personal: Zwei Angestellte kümmerten sich um die Kunden, die ihr Frühstück mitnahmen, zwei weitere um die Gäste im Café. Welche von ihnen war Candice? Goodrich hatte eine junge Frau erwähnt, aber er hatte sie nicht beschrieben.
    »Was darf ich Ihnen bringen, Sir?«
    Die Kellnerin, die ihn gerade angesprochen hatte, war eine Rothaarige mit müdem Gesicht. Sie war weit über vierzig. Auf dem Sticker über ihrer Brust stand: Ellen.
    Er bestellte ein komplettes Frühstück, das sie im Nu servierte.
    Während er seinen Kaffee schlürfte, musterte er die Kellnerinnen hinter der Theke. Die erste, eine Brünette – aufgeschürzte Lippen, auffällig geschminkt – war knapp zwanzig. Mit ihrem üppigen Busen, den sie geschickt zur Geltung brachte, zog sie die Blicke der Männer auf sich. Man merkte, wie sie mit ihrer Erscheinung spielte und sich lasziv herausfordernd bewegte. Die andere war zurückhaltender, vermutlich etwas älter, klein, mit kurzen blonden Haaren. Flink und geschickt konnte sie zwei Gäste auf einmal bedienen, während ihre Kollegin nur einen schaffte. Sie wirkte kein bisschen vulgär, war ein ganz normales sympathisches Mädchen.
    Instinktiv erkannte Nathan, dass sie die Gesuchte war. Um sich zu vergewissern, holte er Papierservietten aus einem verchromten Ständer neben den Kassen. Er ging so nah wie möglich an die Theke heran, um ohne aufzufallen den Sticker der blonden Serviererin lesen zu können.
    Sie hieß Candice Cook.
    Er blieb eine halbe Stunde im Coffeeshop sitzen, dann begann er sich zu fragen, was er hier eigentlich tat. Gestern noch war er fest entschlossen gewesen, Goodrichs Hirngespinste zu vergessen. Doch heute Morgen hatte er nicht lange gezögert, erneut nach Staten Island zu fahren. Etwas Unbekanntes hatte ihn getrieben. Neugier? Die Euphorie, sich bei bester Gesundheit zu wissen? Oder die Angst, Goodrich könnte mehr wissen als die Ärzte? Vermutlich eine Mischung aus allem. Garrett besaß das Geschick, ihn wirklich einzuwickeln. Seit Kevins Selbstmord hatte sich ein gewisser Ernst seiner bemächtigt, das musste er zugeben. Überall schien er drohende Gefahren zu wittern, für sich und für andere. Deshalb wollte er Candice im Auge behalten. Aber er konnte nicht den ganzen Morgen hier herumlungern. Er hatte sein Frühstück längst beendet, man hatte eben seinen Tisch abgeräumt. Aber was sollte der jungen Frau in diesem friedlichen Viertel auch schon passieren?
    Er trat auf die Straße hinaus. Geistesabwesend kaufte er das Wall Street Journal und trödelte in ein paar Geschäften herum. Bei dieser Gelegenheit erledigte er gleich seine Weihnachtseinkäufe, fern vom Getümmel Manhattans. Das ging ziemlich schnell: ein paar Partituren und eine Musiksoftware für Bonnie, eine Flasche guten französischen Wein für Abby, einen Zigarrenabschneider für dieses Arschloch Jordan. Für Mallory brauchte er nichts zu kaufen. Sie würde kein Geschenk von ihm annehmen, und es würde nur neuen Ärger zwischen ihnen geben.
    Dann kehrte er zu seinem Jeep zurück, den er gegenüber dem Café geparkt hatte, weil er unauffälliger war als der Jaguar. Im Vorbeigehen warf er einen Blick durch die Schaufensterscheiben: Kein Problem, Candice war nach wie vor auf ihrem Posten, auch

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