Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
Vom Netzwerk:
wenn der Kundenstrom inzwischen abgenommen hatte.
    Na schön, er konnte auf keinen Fall den ganzen Vormittag hier herumlungern. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, um den Motor zu starten, änderte dann aber seine Meinung. Er konnte sich nicht entscheiden, als ob etwas Irrationales ihm nahe legen würde, hier zu bleiben. Mit einem Seufzer folgte er seinem Instinkt und faltete die Zeitung auseinander. Er kam sich vor wie ein Detektiv auf Beobachtungsposten.
    Um elf Uhr dreißig klingelte sein Handy.
    »Hallo, Pa.«
    »Bonnie? Bist du nicht in der Schule?«
    »Unterricht fällt aus. In der Schule wird eine Sicherheitsübung gemacht.«
    »Was tust du gerade?«
    »Ich frühstücke«, erwiderte sie und gähnte herzhaft. »Vergiss nicht, bei uns ist es erst acht.«
    »Wo ist Mama?«
    »Noch unter der Dusche.«
    Bonnie durfte ihren Vater anrufen, wann immer sie Lust hatte. Das war zwischen Mallory und ihm vereinbart. Er hörte, wie sie erneut gähnte.
    »Bist du gestern spät ins Bett?«
    »Hmm, wir waren gestern Abend mit Vince im Kino.«
    Das traf ihn wie ein elektrischer Schlag. Seit ein paar Monaten ging seine Frau gelegentlich mit einem alten Freund aus, Vince Tyler, mit dem sie im ersten Semester an der Uni mehr oder weniger liiert gewesen war. Vince stammte aus einer reichen kalifornischen Familie, die seit langem zu den Kreisen der Wexlers gehörte. Soweit Nathan wusste, lebte er von den Dividenden der Aktien einer Kosmetikfirma, die er von seinen Eltern geerbt hatte. Er war seit ein paar Jahren geschieden, und als Mallory nach San Diego gezogen war, hatte er begonnen, sich wieder Hoffnungen zu machen. Nathan hasste alles, was mit Tyler zusammenhing. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit.
    Doch er bemühte sich, wenn seine Tochter ihn erwähnte, nicht schlecht über ihn zu reden, für den Fall, dass Mallory tatsächlich vorhatte, ein neues Leben mit ihm zu beginnen. Bonnie hatte unter der Trennung ihrer Eltern sehr gelitten und neigte dazu, sofort aggressiv zu werden, wenn ein Mann sich ihrer Mutter näherte. Es war nicht nötig, sie mit diesem Geplänkel zwischen Erwachsenen zusätzlich zu verunsichern.
    »War der Abend nett?«, erkundigte er sich.
    »Du weißt genau, dass ich Vince nicht ausstehen kann.«
    Du hast ja so Recht, mein Schatz.
    »Hör mal, Bonnie, sollte Mama eines Tages wieder heiraten wollen, brauchst du nicht traurig zu sein.«
    »Warum?«
    »Mama braucht Sicherheit, und vielleicht kann sich jemand wie Vince um euch kümmern.«
    »Ich habe schon Mama und dich, die sich um mich kümmern.«
    »Natürlich, aber man weiß nie, was im Leben alles passieren kann.«
    Er erinnerte sich an Goodrichs Worte. Und wenn das, was er ihm gegenüber angedeutet hatte, wahr wäre? Wenn der Tod bereits auf ihn wartete?
    »Was wünschst du dir, dass passieren soll?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Vince ist nicht mein Vater.«
    »Natürlich nicht, mein Schatz.«
    Mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihm zu sagen:
    »Vielleicht ist Vince gar kein so übler Kerl. Mama könnte mit ihm glücklich sein.«
    »Früher hast du gesagt, er ist ein Trottel.«
    »Sei nicht so frech, Bonnie! Solche Wörter sollst du nicht sagen.«
    »Du hast es selbst gesagt, als du mit Mama gesprochen hast!«
    »Ja, es stimmt, ich mag ihn nicht besonders«, musste Nathan wohl oder übel zugeben. »Aber das liegt vielleicht daran, dass wir nicht aus demselben Milieu stammen. Weißt du, Menschen wie Vince werden mit einem goldenen Löffel im Mund geboren.« Sie wirkte überrascht.
    »Einem goldenen Löffel?«
    »Das ist so eine Redewendung, mein Schatz. Die bedeutet, dass er aus einer reichen Familie stammt. Vince musste nicht arbeiten, um sein Studium zu bezahlen.«
    Während ich Autos waschen und in stickigen Warenlagern in Brooklyn schuften musste.
    »Waren Mama und Vince zusammen, als sie jung waren?«
    »Sprich leiser, Schatz, Mama wird sauer, wenn sie dich so reden hört.«
    Als wollte sie ihn beruhigen, murmelte sie:
    »Alles in Ordnung. Ich bin in mein Zimmer nach oben gegangen und wärme mich an der Heizung auf.«
    Er stellte sich seine Tochter vor, in ihrem Baumwollschlafanzug mit dem Bild von Jack O’Lantern und mit ihren kleinen Füßen in den Harry-Potter-Hausschuhen. Er war glücklich, wenn er Geheimnisse mit ihr teilen durfte.
    »Sie sind ein paar Mal miteinander ausgegangen«, räumte Nathan ein, »aber es war nichts Ernstes.« Bonnie ließ ein paar Sekunden verstreichen, ein Zeichen dafür, dass sie nachdachte, dann sagte

Weitere Kostenlose Bücher