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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Wände.
    »Besteht keine Chance zu verhandeln?«, fragte Nathan hoffnungsvoll.
    »Kein Gedanke daran.«
    »Auch nicht für jene, die sich gut geführt haben?«
    »Machen Sie sich nicht lächerlich.«
    Der Anwalt zündete sich eine Zigarette an und nahm einen langen Zug.
    »Los, Garrett, erzählen Sie mir alles, was Sie über die Boten wissen. Ich glaube, ich habe ein Recht darauf.«
    »Das Wichtigste habe ich Ihnen bereits erklärt. Ich kann voraussehen, wer sterben wird, aber ich habe keine sonstigen Befugnisse: weder Allwissenheit noch besondere Macht.«
    »Sie sind nicht der Einzige, der das kann, nicht wahr?«
    »Genau, die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es weitere Boten gibt.«
    »Eine Art Bruderschaft?«
    »So könnte man es nennen. Die Welt ist voller Boten, aber nur wenige Menschen wissen von ihrer Existenz.«
    »Es fällt mir immer noch schwer, daran zu glauben.«
    »Ich kann Sie verstehen.«
    »Und wie erkennen Sie sich, ich meine, untereinander …?«
    »Es gibt keine deutlichen Zeichen. Häufig ist es eine Kleinigkeit: ein Wort, ein Blick … und man weiß Bescheid.«
    »Sind Sie unsterblich?«
    Goodrich machte ein Gesicht, als hätte die Frage ihn erschreckt.
    »Natürlich nicht. Die Boten altern und sterben wie alle Menschen. Schauen Sie mich nicht so an. Ich bin kein Halbgott. Ich bin nur ein Mensch, genau wie Sie.«
    Nathan ließ sich von seiner Neugier leiten.
    »Aber Sie besaßen nicht immer diese Macht der Vorsehung, nicht wahr? Sie hatten sie noch nicht, als Sie mich 1972 behandelten?«
    »Nein, aber die Tatsache, dass sich unsere Wege gekreuzt haben, hat mein Interesse für die unmittelbare Todeserfahrung und die Palliativmedizin geweckt.«
    »Und wie hat alles angefangen? Wacht man eines Morgens auf und sagt sich: Jetzt bin ich ein Bote?« Garrett verhielt sich ausweichend:
    »Wenn das eintritt, merken Sie es.«
    »Und wer ist auf dem Laufenden? Sie waren doch verheiratet. Wussten es Ihre Angehörigen?«
    »Niemand soll es je erfahren. Niemals. Würden Sie gern mit jemandem leben, der diese Fähigkeit besitzt?«
    »Kann man sie sich denn aussuchen?«
    »Sie ist schwierig abzulehnen. Wenn man behauptet, dass man sie gewählt hat…«
    »Aber wie werden die Boten ermittelt? Ist es eine Strafe oder eine Belohnung?«
    Goodrichs Miene verfinsterte sich, und er schwieg eine Ewigkeit.
    »Nathan, ich darf Ihnen nicht antworten.«
    »Darf ich zumindest wissen, warum einige Menschen das Recht haben, Bote zu werden?«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß es selbst nicht. Wir sind eine Art Sozialarbeiter, wissen Sie. Wir suchen uns die Menschen nicht aus, mit denen wir zu tun haben.«
    »Und . gibt es . etwas nach dem Tod?«
    Goodrich hatte sich gerade erhoben, um Holz nachzulegen. Er musterte Nathan aufmerksam und fand ihn irgendwie rührend. Ein paar Sekunden dachte er an den kleinen Jungen zurück, den er vor dreißig Jahren gerettet hatte. Von neuem verspürte er das Bedürfnis, ihm zu helfen.
    »Garrett, helfen Sie mir.«
    »Ich weiß über das Leben nach dem Tod auch nicht mehr als Sie. Das gehört alles in den Bereich des Glaubens.«
    »Warum drücken Sie sich nicht deutlicher aus? Sagen Sie mir wenigstens, ob ich Recht habe. Die Zeit drängt, nicht wahr?«
    »Ja«, gab Goodrich zu, »die Zeit drängt.«
    »Was raten Sie mir also?«
    Goodrich breitete zum Zeichen der Hilflosigkeit die Arme aus. »Es sieht ganz danach aus, als liebten Sie Ihre Frau noch immer. Sagen Sie es ihr.«
    Aber Nathan schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Ich glaube, es ist nicht der richtige Augenblick.
    Ich glaube, wir sind noch nicht bereit dazu.«
    »Nicht bereit dazu? Aber beeilen Sie sich um Himmels willen. Wie Sie selbst ganz richtig sagten: Die Zeit drängt.«
    »Garrett, ich fürchte, es ist aus. Seit einiger Zeit trifft sie sich mit einem anderen Mann.«
    »Ich glaube nicht, dass jemand wie Sie das für ein unüberwindliches Hindernis hält.«
    »Ich bin nicht Superman.«
    »Das stimmt natürlich«, räumte der Arzt ein und lächelte wohlwollend. Er runzelte die Stirn, als strenge er sein Gedächtnis an, dann fuhr er fort:
    »Ich erinnere mich … an etwas.«
    »Ich höre«, erwiderte Nathan interessiert.
    »Es war zur Zeit Ihres Unfalls. Am zweiten oder dritten Tag. Am Nachmittag besuchte Mallory Sie. Sie schliefen tief, und ich hatte ihr verboten, Sie zu wecken. Sie war trotzdem eine ganze Stunde dageblieben und hatte zugeschaut, wie Sie schlafen. Und als sie ging, hat sie Sie geküsst.«
    »Wie kommt es, dass Sie sich

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