Ein Fall von Liebe
Stufen hinunter, die zu den Rasenflächen und Tennisplätzen führten. Er trat unter die Bäume ins Dunkel. Vielleicht war Peter schon nach Hause gegangen, dachte er, aber das schien ihm doch sehr unwahrscheinlich. Peter würde das nicht tun, es sei denn, ihm war schlecht geworden. Er hörte rechts von sich Stimmen und ging in die Richtung, aus der sie kamen. Gleich darauf erkannte er Peters Stimme. Er näherte sich vorsichtig und sah dann zwei Gestalten unter einem Baum im Gras sitzen. Er war nur ein paar Meter von ihnen entfernt, als zwei Köpfe, auf die ein Lichtschein fiel, sich umdrehten.
Charlie drehte sich um und ging zurück, rannte fast in die Richtung aus der er gekommen war.
»Charlie«, rief Peter. Seine Stimme zitterte vor Freude wie immer, wenn er seinen Namen aussprach. Charlie rannte darauf noch schneller. Er lief um das Gebäude herum, sprang in den Wagen und fuhr ab. Er war innerlich so durcheinander und aufgewühlt, daß er nicht mehr klar denken konnte. Seine Kehle schmerzte. Seine Augen brannten. Er umklammerte mit aller Kraft das Steuerrad, als sei es das einzige, das ihn retten könne. Selbst nachdem er den Wagen vor dem Haus geparkt hatte, blieb er, weiter das Steuerrad mit den Händen umklammernd, sitzen. Er hatte Peters Begleiter erkannt. Es war das Mitglied des Klubs, das alle offen als pervers bezeichneten. Ein Mann, vor dem die Mütter ihre Söhne warnten.
Er wurde sich plötzlich bewußt, daß es schon spät war, und er stieg aus, lief ins Haus und die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Er wollte die Tür abschließen, überlegte es sich dann aber anders. Nicht, daß es ihn danach verlangte, Peter wiederzusehen. Der mochte in der Hölle schmoren. Er wollte sich hinlegen, aber das leere Bett widerte ihn an. Er ging im Zimmer auf und ab, fühlte sich wie zerschlagen, und seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt. Er hätte am liebsten vor Schmerz und Wut laut gebrüllt. Warum mußte ihm das passieren? Dieses verdammte Mädchen. Er hatte sie zu leicht davonkommen lassen. Er hätte ihr mehr –Angst einjagen müssen, damit sie nicht wagen würde, etwas zu sagen. Gott weiß, wessen die Hure ihn beschuldigen mochte – Vergewaltigung, schamlose Entblößung seines Glieds und was sonst noch. Niemand würde dem Bedeutung beimessen, aber es würde vielleicht C. B. zu Ohren kommen. Und Peter draußen auf dem Rasen mit einem Schwulen. Wenn er entdeckte, daß sie einander auch nur berührt hatten, würde er ihn umbringen. Umbringen. Ihn umbringen, weil er ihm das angetan hatte.
Er hörte einen Wagen unten, und sein Herz begann wild zu schlagen. Er regte sich nicht und horchte. Er hörte den Wagen halten, hörte das leise Schließen einer Tür, Schritte auf dem Kies und dann nichts, bis er hastige Schritte im Flur vernahm und Peter zu ihm hereingestürmt kam.
»Warum hast du...?« begann er, hielt dann aber inne, als er Charlies Gesicht sah.
»Hat dein Freund dich nach Hause gebracht?« fragte Charlie spöttisch.
»Ach, Liebling...«
»Nenn mich nicht so.« Er ging auf ihn zu und schlug ihn mit der flachen Hand ins Gesicht. Peter schwankte, blieb aber wehrlos vor ihm stehen. »Ich habe das alles satt. Du kannst Jimmy Harvester haben. Hat er dich gut gefickt oder du ihn?«
»Er versteht uns, und das kann man nur von wenigen sagen.«
»Versteht uns? Dann hattet ihr also ein vertrauliches Gespräch, wie zwei Mädchen, die sich das Herz ausschütten? Du schmutzige kleine Schwuchtel! Ich verbiete dir, über Sachen, die mich betreffen, zu plappern.«
»Sie betreffen mich auch.«
»Ja? Nun, sie werden dich nicht mehr lange betreffen. Du wirst morgen dieses Haus verlassen. Verstanden? C. B. wird sich freuen zu hören, wen du dir zum Freund erwählt hast.«
Peters Gesicht zuckte. Einen qualvollen Augenblick lang glaubte Charlie, er werde gleich weinen. Er bemühte sich sichtlich, sich zusammenzureißen. Er blickte Charlie wie aus weiter Ferne an, dann drehte er sich um, ging hinaus und ließ die Tür hinter sich offen. Charlie sah ihm nach. So war das also. Wenn er auf allen Vieren zurückgekrochen käme und ihn um Verzeihung bäte, würde er ihn fertig machen. Seine Hand brannte noch von dem Schlag. Er ging zur Tür und wollte sie schließen, ließ sie dann aber doch einen Spalt breit offen. Er sah auf der anderen Seite des Flurs unter Peters Tür Licht hindurchschimmern. Er zog sich aus, aber statt zu Bett zu gehen, wie er es eigentlich wollte, streifte er einen Morgenrock über, als ob er
Weitere Kostenlose Bücher