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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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gelernt. Länger ausatmen als einatmen. Den Puls runterfahren.
    »Was machen Sie gerade, Frau Birkhoff?«
    »Ich hocke mich vor das Kind hin. Ich möchte auf einer Augenhöhe sein. Ich möchte dem Mädchen direkt in die Augen schauen. Ich möchte in den Augen lesen.«
    Die Polizistin hatte sich vor die Gitter gehockt. Sie hatte einen mitfühlenden Blick. Bestimmt war diese Frau gutherzig. Warum schaute sie sie so an? So fragend? So lieb? So traurig?
    »Gut, dann fassen Sie das Mädchen an den Schultern an. Ich möchte nicht, dass Sie es umarmen, auch wenn SIE das möchten. Nur die Schultern, verstanden?«
    »Verstanden.«
    Ich berührte das Mädchen vorsichtig. Wärme floss durch meinen Körper. Hitze. Eine nie gekannte Hitze. Mein Puls. Nun raste er doch.
    »Und nun?«, fragte ich ungeduldig.
    »Umarmen Sie das Kind. Drücken Sie es fest an sich.«
    Diese Polizistin war unglaublich. Sie konnte zaubern. Sie musste sehr, sehr stark sein, und unglaubliche Fähigkeiten hatte diese Frau. Das Gitter löste sich plötzlich in Luft auf. Einfach weg. Dann fasste sie sie an den Schultern an.
    »Da habe ich dich endlich. Mein Kind. Hier unten im Verlies warst du? Die ganze Zeit? Mein Gott, du armes Kind. Dass du noch lebst. Dass du noch lebst, bei allem, was geschehen ist. Ich bin so froh.«
    Die Polizistin umarmte sie. Endlich. Endlich umarmt werden. Es tat so gut. Es tat so unglaublich gut. Es durfte nie wieder aufhören. Nie wieder. Nie wieder würde sie weggehen von dieser Frau. Sie weinte. Lag zart und schwach in den Armen der Polizistin und weinte. Unentwegt.
    »Frau Birkhoff! Frau Birkhoff! Ich bitte Sie! Antworten Sie mir!«
    Ein markerschütternder Schrei entfuhr meiner Kehle. Ich umarmte mich selbst und schrie und schrie. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib. All die Jahre. Diese entsetzlichen Jahre. Niemals getröstet dieses arme Kind. Keiner. Keiner hatte dieses kleine Mädchen wirklich trösten können. Es tat so weh. Ich schrie. Lange. Immer wieder. Weinte. Schluchzte. Die Sitzung drohte außer Kontrolle zu geraten.
    »Frau Birkhoff! Lassen Sie jetzt das Kind los! Lassen Sie es los.«
    »Ich kann nicht. Ich kann es nicht loslassen. Es ist noch so klein. Ich weiß doch, was die noch mit der Kleinen machen. Ich kann sie doch nicht einfach alleinlassen! Das schafft sie nicht. Die Schläge! Die Mutter! Jürgen! Das schafft sie doch nicht. Sie stirbt. Sie hat keine Ahnung, was da noch auf sie zukommt. Keine Ahnung, wie schrecklich das noch wird. Sie hat doch schon so viel hinter sich. Bitte. Biiiiiiiitttteeeee!«
    »Sie MÜSSEN sie loslassen, Frau Birkhoff! Sie MÜSSEN! Beantworten Sie mir eine Frage. Nur eine Frage. Frau Birkhoff: Wird dieses Mädchen es schaffen? Wird sie das schaffen?«
    Ich brach zusammen. Fiel einfach auf die Knie. Umarmte mich immer noch. Dieser unbändige Schmerz. Diese abgrundtiefe Trauer. »Neeeiiiinnn!« Ich schrie es heraus. »Wie denn? Wie denn? Ich muss ihr das ersparen. Sie da rausholen.«
    »Haben SIE, SIE, Frau Birkhoff, haben SIE das alles überlebt? SIE, Christine! Antworten Sie!« Die Therapeutin schrie mich an. Ihr Gesicht direkt vor meinem Gesicht. »Schauen Sie mich an, Christine Birkhoff! Schauen Sie mich an! Haben SIE das alles überlebt?«
    »Jaaaajaaaa ... ich habe es überlebt. Ich musste ja. Ich konnte nichts ändern. Ich konnte nichts daran ändern. Ich war doch noch so klein. So furchtbar klein.«
    Ich hörte auf mich zu umarmen. Aber ich hörte nicht auf zu weinen. Mein kleines Mädchen. Ganz da unten in mir drin. Mein Mädchen. Sie konnte nichts dafür. Sie war unschuldig. »Sprechen Sie mit mir, Frau Birkhoff. Sprechen Sie. Was für Gedanken kommen Ihnen?« »Sie war unschuldig. Dieses Mädchen war unschuldig. Sie hat niemandem etwas getan. Sie war einfach nur da. Einfach in diese Welt hineingeworfen. Ohne Schuld. Und dann haben sie ihr das alles angetan. Ich fasse es nicht. Ich kann es nicht fassen!« Das Mädchen verstand die Polizistin nicht. Wa rum sollte sie zurück ins Gefängnis? Warum erzählte diese Frau Sachen wie »Wir passen nicht zu zweit in diese Welt da oben«? Wieso denn nicht? Und was meinte sie mit »Das da oben ist die Welt der Erwachsenen«? Das Mädchen verstand das nicht. Es war aber nicht wichtig. Man hatte sie gefunden. Das war wichtig. Und noch wichtiger war, dass die Polizistin gesagt hatte »Ich komme wieder«. »Ich hole dich hier raus.« »Ich muss erst noch eine Bleibe für dich finden, hier kannst du auf keinen Fall bleiben.« Der

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