Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
unschuldig an der mangelhaften Ästhetik der Reportagen, da sie darauf bestanden hatten, ausgerechnet das Boulevardblatt und den Privatsender mit dem Monopol auszustatten.
Von diesen gab es überdies weiteres zu vermelden; der Gewährsmann hatte noch ein paar Kopien beigelegt – »falls es dich interessiert«. Mit leicht angewidertem Grinsen las Matzbach, daß der Kandidat des umgebenden Wahlkreises, Lothar Pittrich, sich in Klitterbach oder jedenfalls in der Nähe aufgehalten habe. Er hatte natürlich den armen Eltern kondoliert, seine Unterstützung und die seiner Partei angekündigt – und Wahlkampf gemacht. Oder, wie Baltasar fand, degoutanten Hokuspokus mit sich machen lassen. Offenbar hatte er, wie die Eltern des Säuglings, den Leuten von Boulevardblatt und Privatsender eine Art Monopol gewährt: Monopol, mit ihm Unfug zu machen und dies als Wahlkampfberichterstattung zu veröffentlichen. Man sah (oder konnte erraten; das Gesicht des Mannes war auf den Kopien nicht zu erkennen) den Abgeordneten, wie er mit erhobener Hand einem Panzer Einhalt gebot (Text: »Schluß mit der Verwüstung unserer friedlichen Felder!«), wie er Abfall auf einem Schulhof sammelte (Text: »Der Abgeordnete geht mit gutem Beispiel voran«), wie er mit einem Mädchen an der Hand aus einem Wäldchen kam (Text: »Kandidat rettet Kind vor Wildschwein!«), und so weiter.
»Kandidat macht Handstand auf Misthaufen«, knurrte Baltasar. »Politiker beißt Wildsau. Bäääh. Ob der die Journaille mit Parteigeldern bezahlt oder sich von denen für grauenhafte Storys bezahlen läßt?«
Es blieb ruhig im Laden; offenbar war kein guter Tag für Bücher. Matzbach dachte eine Weile über Wildschweine, Säuglinge, Eltern und Medien sowie bergische Dörfer nach; dann aktivierte er sein Handy und rief den Hacker an..
»Ich hab was«, sagte dieser. »Wann kommst du?«
»Ich kann jetzt nicht. Erzähl’s mir doch einfach.«
Schweigen, Summen, etwas wie ein unhörbares Nägelbeißen; dann seufzte der Computerkünstler. »Eigentlich nur gegen Cash, aber weil du’s bist«, sagte er.
»Ich bringe dir die Knete vorbei – morgen, einverstanden? Nun schieß schon los.«
Der Hacker holte tief Luft und schoß. Eine Marion Wiegeler, Jahrgang circa 1948 bis 1952, geboren in oder bei Düsseldorf, sei bundesweit nicht aufzutreiben; es gebe fraglichen Alters auch keine verzeichnete Dame Marion XY geborene Wiegeler. Andere Marions und Wiegelers und Marionwiegelers dagegen wohl. Es habe die Gesuchte jedoch durchaus gegeben, und zwar als einziges Kind inzwischen verstorbener Eltern. Da könne man vermutlich niemanden mehr fragen; immerhin, Düsseldorf stimme, und das Geburtsjahr sei 1951. Aber, wie gesagt, spurlos verschwunden – Namensänderung, mehrfache Heirat, Auswanderung; vielleicht lebe sie heute als Marian Wiggles oder so in Australien.
»
Maid Marian
«, sagte Matzbach,
»she who wiggles
. Na ja. Weiter bitte.«
Der Hacker erweiterte. In der Umgebung von Klitterbach gebe es etliche alte Schächte, teils reine Luft- beziehungsweise Versorgungsschächte alter Stollen, teils trockene Tiefbrunnen, teils echte ehemalige Bergwerksanlagen. Man habe dort bis kurz ins 19. Jahrhundert Kohle, Eisen, Zink und Silber gefördert, allerdings von geringer Qualität und stetig abnehmender Menge. Es habe sich nicht einmal in kargen Zeiten gelohnt, deshalb sei alles nach und nach eingestellt worden. Aus dem Fundus der diversen mit Bodenpflege, industrieller Archäologie, Landesvermessung etcetera befaßten Ämter habe er einiges heruntergeladen und ausgedruckt, Karten über alte Fundorte zum Beispiel, die er Matzbach gegen Zahlung der vereinbarten Summe gern aushändigen werde.
»Beim Landesvermessungsamt gäb’s das billiger«, sagte Baltasar.
»Auf den Gedanken muß man aber erst mal kommen. Du kennst doch die Geschichte mit der Karrenreparatur – zehn Pfennig für den Schlag mit dem Hammer, neun Mark neunzig für ›gewußt, wo man schlagen muß‹ oder so.«
»Ei ja.«
Der Wagen des unauffindbaren Detektivs Sammy Goldstein habe sich finden lassen, und zwar in allgemein unzugänglichen Polizeidaten. Es handle sich um einen acht Jahre alten Fiesta, der tagelang in der Nähe des Bahnhofs Dieringhausen gestanden habe. Er sei leer gewesen, ohne bedeutende Hinweise, bis auf einen mehrfach gefalteten Zettel. Dieser habe auf dem Beifahrersitz gelegen.
»Was stand drauf?«
Der Hacker schnaubte. »Könnte interessant werden, nämlich so was wie ein Drohbrief.
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