Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
verletzt.“
„Früher hattest du keine Probleme damit, diese Regeln zu beachten.“
„Früher hatte ich auch noch nie eine Frau wie Serena getroffen.“
„Ich begreife dein Verhalten nicht. Wenn dir das Mädchen etwas bedeutet, solltest du es nicht ruinieren!“
„Das war auch nie meine Absicht.“ Er seufzte auf und erzählte seinem Freund dann, was sich während der letzten Tage zugetragen hatte. Als er von dem Besuch in Mile End berichtete, schaute Charles ihn entsetzt an und murmelte: „O Gott …“ Und als Nicholas wenig später sein Gespräch mit Lord Vespian erwähnte, stellte Charles fest: „Lady Serena ist also nicht nur attraktiv und von altem Adel, sondern auch noch sehr reich. Nun, dann wird sie wohl einen Gatten finden, selbst wenn ihr Ruf beschädigt ist.“
„Wenn sie auch nur einen Funken Verstand hätte“, rief Nicholas erregt aus, „würde sie mich heiraten. Aber sie hat meinen Antrag zurückgewiesen. Kannst du dir das vorstellen?“
Charles runzelte die Stirn. „Warum sollte sie dich abweisen, wo doch jeder sehen kann, dass sie verrückt nach dir ist? Bestimmt hast du irgendetwas falsch gemacht.“ Er überlegte. „Hast du ihr ewige Liebe geschworen?“
„Natürlich nicht.“
„Und warum nicht?“
„Weil sie mich nicht liebt. Jedenfalls hat sie mir ihre Liebe nie gestanden.“
„Wie kann man nur so dumm sein! Ich möchte wetten, dass du sie nie danach gefragt hast. Außerdem hat sie ihren Stolz. Bei Jupiter, ich kann nur hoffen, dass es dir gelingt, die Sache irgendwie in Ordnung zu bringen.“
Nicholas starrte seinen Freund an, als habe er ihn nie zuvor gesehen.
„Was ist?“
„Ich muss blind gewesen sein“, murmelte Nicholas. Verschiedene Szenen fielen ihm ein, die er seltsam gefunden hatte, ohne jedoch weiter darüber nachzudenken. Dinge, die Serena gesagt oder getan hatte, obwohl sie eigentlich nicht zu ihrem üblichen Verhalten zu passen schienen. War der Grund dafür gewesen, dass sie ihn liebte und ihm diese Liebe aus Stolz nicht gestehen wollte?
„Ja, blind für ihre Gefühle und für deine eigenen womöglich auch“, meinte Charles.
„Aber woran soll ich erkennen, ob ich sie wirklich liebe?“
„Keine Ahnung. Du weißt, dass ich mich nicht aus Liebe für die Ehe mit Penelope entschieden habe. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass man es merkt, wenn man liebt.“
Nicholas senkte den Blick. Auf einmal schien alles so offensichtlich zu sein. Er konnte sich ein Leben ohne Serena nicht mehr vorstellen. Er wollte sie an seiner Seite haben, wollte ihr Lachen hören, wollte sich mit ihr über alles, was ihn bewegte, austauschen. Und natürlich wollte er sie besitzen, immer und immer wieder. Aber das war nur ein Teil dessen, was er sich erträumte. Er wollte sein Leben mit ihr teilen, sein ganzes Leben. Ja, das musste die Liebe sein.
„Danke, Charles.“ Er hob sein Glas.
Die Freunde stießen miteinander auf die Zukunft an, und dann machte Nicholas sich, nun deutlich besser gelaunt, auf den Weg nach Hause.
In der Bibliothek wartete Frances Eldon auf ihn. Wie üblich hatte der Anwalt seinen Auftrag rasch und zuverlässig erledigt.
„Nun“, forderte Nicholas ihn auf, „was haben Sie herausgefunden?“
Einige Zeit später bereute er zutiefst, dass er Eldon mit diesen Nachforschungen betraut hatte. Denn wenn er geglaubt hatte, seine Schuldgefühle ließen sich nach dem Besuch in Mile Ende nicht mehr steigern, so hatte er sich geirrt.
11. KAPITEL
Serena war von Melissa eingeladen worden, vor Penelopes Verlobungsball am Cavendish Square zu dinieren. Sie gab sich große Mühe mit ihrer Toilette. Als sie schließlich einen letzten Blick in den Spiegel warf, war sie mit ihrer Erscheinung zufrieden. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Abendkleid aus goldfarbener Seide, das mehr von ihrer samtenen Haut zeigte als all ihre anderen Roben. Die modischen mit kleinen Zuchtperlen bestickten Puffärmel hatten gerade die richtige Länge, um die Bandage zu verbergen, mit der der Arzt die Stichwunde verbunden hatte. Das Kleid war, wie es ihrem Stil entsprach, einfach geschnitten. Doch gerade dadurch wirkte es besonders vornehm. Zugleich brachte es ihre weiblichen Rundungen vorteilhaft zur Geltung.
Sie warf einen leichten Schal über die Schultern, vergewisserte sich, dass ihre Frisur richtig saß, und begab sich nach unten, wo sie die neue Zofe bat, ihr zu helfen, die Knöpfe der hautengen Abendhandschuhe zu schließen. Nachdem sie ihr Abendcape umgelegt hatte,
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