Ein Freund aus alten Tagen
dass neureiche Emporkömmlinge wesentlich weniger tolerant sind als die alteingesessene Oberschicht, aus der du stammst. Wir finden diese Art von Jugendsünden nicht charmant. Kleinbürgerlich? Aber ja. Intolerant? Absolut. Spießbürgerlich? Ich fürchte, wir Petrinis müssen uns in jedem einzelnen Punkt schuldig bekennen.«
»Warum wühlst du in meinen alten Jugendsünden herum?«
»Du überschätzt deinen Unterhaltungswert. Deine früheren Ansichten sind mir völlig egal. Sie amüsieren mich, aber ich habe keine Verwendung für sie.« Natalie trank etwas Wein und studierte anschließend skeptisch ihr Glas. »Aber mir ist klar geworden, dass du vielleicht über Informationen verfügst, die für mich von Nutzen sein könnten.«
»Das bezweifle ich sehr.«
»Über Erik Lindman, Sonia Terselius und Carl Wijkman.«
Die Galeristin sah sie sekundenlang erstaunt an, wirkte dann aber erleichtert.
»Deine Artikel. Ich habe sie gelesen.« Sie setzte sich auf einen Küchenstuhl und schenkte sich ebenfalls etwas Wein ein. »Ich kannte die drei im Grunde nicht. Sie studierten in Uppsala, ich in Lund. Und egal, was du glaubst, ich war nicht besonders aktiv. So war das damals eben.«
Und du bist immer so gewesen, wie man gerade sein sollte, dachte Natalie.
»Ich meine, ich war doch keine Kommunistin, das musst du verstehen.«
»Waren sie es denn?«
Natalies Tante zuckte mit den Schultern. »Ich denke schon. Wie gesagt …«
»Du kanntest sie nicht so gut, das habe ich gehört. Aber ein bisschen wirst du ja wohl über sie sagen können. Immerhin wart ihr alle im gleichen Verein.«
»Ich weiß nicht. Die Jungs waren nett, vor allem Erik. Jeder von ihnen war auf seine Art charmant. Calle kannte ich besser, wir hatten viele gemeinsame Freunde. Sonia war bildhübsch, aber auch eine richtige Hexe, fand ich jedenfalls.«
»Und warum?«
»Sie war fanatisch, sah auf andere herab, die sich in politischen Dingen nicht so gut auskannten wie sie. Außerdem war sie gemein zu anderen Mädels.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Nein, Sonia war kein sympathischer Mensch.«
Natalie konnte sich lebhaft vorstellen, was Sonia Terselius von dem oberflächlichen Oberschichtmädchen aus Lund gehalten hatte, das sich vor allem für Kunst interessierte.
»Aber die Kerle waren verrückt nach ihr. Sie rannten ihr hinterher wie junge Welpen.«
Sie stand auf, um die letzten Gläser einzusammeln, und ging in die Küche.
»Mehr weiß ich nicht. Wolltest du etwas Bestimmtes wissen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie Wasser einlaufen und spülte die Gläser. Natalie übte sich in Geduld. Als ihre Tante zurückgekommen war, sagte sie: »Es gibt tatsächlich etwas Bestimmtes, was ich dich fragen möchte.«
Die Galeristin lehnte sich gegen den Türrahmen und wartete.
»1963 in Bukarest, ein Friedenskongress für linke Studenten. Warst du dort?«
Sie explodierte so heftig, dass Natalie sich fragte, ob sie beim Spülen das eine oder andere Glas gekippt hatte.
»Bukarest! Warum zum Teufel soll ich nach Bukarest gereist sein? Was ist nur in dich gefahren, Natalie? Ich war eine dumme Studentin mit ein paar Flausen im Kopf, keine verdammte Revolutionärin.«
»Viele Mitglieder von Veritas sind damals auf diesen Kongress gefahren, und ich weiß, dass unser Trio aus Uppsala in Bukarest war. Ich möchte mit jemandem sprechen, der auch dort gewesen ist.«
»Ich jedenfalls nicht!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging in den hinteren Raum. Natalie hörte, wie ein Schrank zugeschlagen und ein Mantel von einem Bügel gezerrt wurde. Anschließend erklang ein leiser Fluch. Als die Galeristin zurückkehrte, hielt sie demonstrativ die Schlüssel in der Hand, aber Natalie stand trotzdem nicht auf.
»Wie kann ich herausfinden, wer damals dort war?«
»Keine Ahnung.«
»Gibt es kein Verzeichnis ›Genosse so und so war da und da‹, das du irgendwo auf dem Speicher versteckt hast?«
Sie sah Natalie mit schief gelegtem Kopf und hochgezogenen Augenbrauen an. »Sei nicht albern. Ich muss jetzt wirklich gehen.«
»Nenn mir einen Namen. Wer könnte auf einen solchen Kongress gefahren sein?«
»Das ist doch lächerlich.«
»Einen Namen, Tantchen, dann vergessen wir dieses Gespräch.«
Sie beobachtete Natalie mit angespanntem Blick. »Ich will nicht, dass du diese Dinge …«
»Ich verspreche es, keiner von uns erzählt irgendwem davon.«
Die Galeristin ließ ihre Schlüssel um den Finger kreiseln. »Olof Salling von der Stockholmer
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