Ein Freund aus alten Tagen
nicht einmal ein Albaner«, verkündete der Mann triumphierend. »Das ist kein anderer als Erik Lindman.«
12 Als Meijtens Stunden später von der Redaktion nach Hause radelte, war es stockfinster. Er hatte die Tierschützer aus seinem Kopf gestrichen und war stattdessen auf der Suche nach allem, was jemals über Erik Lindman geschrieben worden war, durch das Nachrichtenarchiv gehetzt. In seiner Satteltasche lag jetzt ein ganzer Stapel kopierter Artikel.
Er bog auf den schmalen Weg ein, der unterhalb des Parks Tantolunden am Wasser entlangführte. Es regnete nicht mehr, die Luft war frisch, und die Fahrradreifen sangen auf dem regennassen Asphalt.
Es hatte nur etwa eine Minute gedauert, bis ihm eingefallen war, wen der Mann in der Buchhandlung gemeint hatte, und er sich vage erinnerte, schon einmal etwas über die Geschichte gehört zu haben, die mittlerweile fünfundzwanzig Jahre zurücklag. Als er heimkam, sortierte er das kopierte Material in chronologischer Reihenfolge. Die erste Gruppe von Artikeln stammte aus dem Jahr 1965, die anderen waren kürzere Zeitungsnotizen vom Anfang der Siebzigerjahre. Dann kochte er sich eine Kanne Jasmintee und stellte sie unter den Teewärmer. Es würde eine lange Nacht werden.
Konzentriert las er die Artikel. Anschließend las er sie noch einmal und notierte sich dabei Schlüsselereignisse. Als das Telefon klingelte, zuckte er zusammen und sah auf die Uhr. Es war fast eins. Nicht einmal seine Freunde riefen ihn zu so später Stunde noch an, ohne einen wirklich guten Grund zu haben. Zu seiner Verwunderung war es Hanna, sie klang besorgt.
»Tobias, hast du hier dauernd angerufen?«
Er braucht ein paar Sekunden, bis er begriff, was sie meinte, und mit Nachdruck protestieren konnte.
»Irgendwer hat ein paarmal hier angerufen und dann einfach wieder aufgelegt. Es ist richtig unheimlich. Ich dachte, du wärst vielleicht betrunken und hättest hier angerufen.«
Er hätte sie gerne gefragt, warum sie glaubte, dass er mitten in der Woche betrunken sei, und warum er sie dann anrufen sollte. Aber er ließ es bleiben.
»Das sind bestimmt die besorgten Eltern eines deiner Patienten gewesen.«
Sie seufzte. »Ich stehe mit der Nummer doch gar nicht im Telefonbuch, sondern du.«
Er hatte eine Idee. »Wann war der letzte Anruf?«
»Gerade eben, vor zehn Minuten. Wieso, weißt du, wer es war?«
Nein, der Einzige, den er sich hätte vorstellen können, war inzwischen tot.
»Keine Ahnung, vermutlich ein heimlicher Verehrer.«
»Hör auf. Wenn das einer deiner bescheuerten Kumpels ist, sag ihnen, sie sollen lieber bei dir anrufen. Ich brauche meinen Schlaf.«
Sie legte auf, ehe Meijtens dazu kam, sie darauf hinzuweisen, dass sie ja wohl ihn nachts angerufen hatte. Er blieb eine Weile sitzen und starrte gereizt auf die Straße hinunter. Dann kehrte er zu den Artikeln zurück.
Als er sie alle ein zweites Mal durchgelesen hatte, zog er auf der Suche nach historischen Jahreszahlen ein paar Nachschlagewerke aus dem Regal und notierte die Ziffern parallel zu seinen Notizen über Erik Lindman. Danach setzte er sich an den Computer, um zusammenzufassen, was er wusste. Die Geschichte von Erik Lindman und seine mögliche Rückkehr als Aron Bektashi. Schließlich druckte er seine Zusammenfassung aus und legte sie ganz oben in die Mappe mit Artikeln und Notizen, die er am nächsten Tag mitnehmen würde. Er war bereit.
Nachdenklich trommelte Meijtens mit den Fingern auf der Mappe herum. Sollte er sich Sorgen um Hanna machen? Die Anrufe hatten vermutlich nichts zu sagen. Er schaltete den Computer aus und gähnte.
Danach tat er etwas, was ihn selbst erstaunte, da es ihm ein wenig melodramatisch vorkam. In einem der ersten Artikel hatte es ein Foto von Erik Lindman gegeben, von dem er mehrere vergrößerte Kopien gemacht hatte. Eine davon hängte er an seiner Pinnwand neben das vergrößerte Passfoto von Aron Bektashi. Es mussten mindestens fünfzehn, vielleicht sogar fünfundzwanzig Jahre zwischen den beiden Bildern liegen, und keines war von besonders guter Qualität. Auf dem einen blickte ein junger Erik Lindman breit lächelnd schräg zur Seite. Auf dem nächsten starrte ein ernster Aron Bektashi mittleren Alters direkt in die Kamera.
Man hätte der Ähnlichkeit auf den beiden Bildern vielleicht keine zu große Bedeutung zumessen sollen, aber Meijtens hatte sich entschieden. Er streckte sich und stellte sich ans Fenster. Die Nacht war vollkommen still, und die Turmuhr der Sofia-Kirche stand
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