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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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mit ihnen. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.«
    Sie stand auf und öffnete das französische Fenster. Der Himmel war sternenklar. Sie zündete sich eine Zigarette an.
    »Lars will nicht, dass ich in der Wohnung rauche.«
    Meijtens strich sich mit der Hand durchs Haar und massierte seine Schläfen.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, sagte er. »Vielleicht hat dieser Hansson ja recht, vielleicht war Erik Lindman Tristan. Im Grunde können wir das nicht wissen.«
    »Ich bin fest davon überzeugt, dass du die ganze Zeit richtiggelegen hast. Das bin ich mehr denn je.«
    Sie setzte sich auf den Fußboden und hielt die Zigarette zum offenen Fenster hin.
    »Ich habe da über etwas nachgedacht«, meinte sie schließlich und blies eine Reihe kleiner Rauchringe aus. »Wir reden, als hätten wir gerade eine Menge widersprüchlicher Fakten bekommen, aber im Grunde ist es genau umgekehrt. Erst jetzt passt alles zusammen.« Sie drehte sich zu ihm um, und er hob fragend die Augenbrauen. »Ich glaube, das meiste von dem, was wir gehört haben, entspricht der Wahrheit. Lass uns fürs Erste annehmen, dass die russischen Überläufer, der Botschaftsbedienstete in Den Hag und, wie hieß er noch gleich …«
    »Sorokin«, soufflierte Meijtens.
    »Danke, Sorokin. Nehmen wir mal an, die beiden hatten vollkommen recht: Es gab einen Tristan, der ein schwedischer Student war und bei dem Kongress in Bukarest angeworben wurde. Warum nicht?«
    Sie sah ihn an, und Meijtens nickte langsam.
    »Aber lass uns anschließend – im Unterschied zu deinem Freund im Park – annehmen, dass nicht Erik Lindman Tristan war, sondern eine andere Person unter seinen engsten Bekannten. Dann liegen auf einmal alle Puzzleteile an der richtigen Stelle.«
    Ihre Stimme klang traumverloren, und ihr Blick war auf die Straßenlaterne vor dem Fenster gerichtet.
    »Erik Lindman ging zum Studieren nach Uppsala und war ein genauso überzeugter Kommunist, wie sein Vater behauptet, und genau der charmante Bursche, den alle beschreiben. Dort läuft alles wie geschmiert, und er findet sich selbst, Freunde fürs Leben und ein hübsches Mädchen, mit dem er sich verlobt.«
    Meijtens goss sich noch eine Tasse ein und machte es sich möglichst lautlos bequem.
    »Kein Wölkchen in Sicht. Sicher, da ist dieser Kongress in Bukarest, auf dem der tiefe Graben zwischen den beiden kommunistischen Giganten offenbar wird, aber ich glaube nicht, dass ihn das verunsichert hat. Ich glaube vielmehr, dass sein neuer Freund Behxet eine Bemerkung machte, deren Bedeutung Lindman erst später erkennen sollte.« Sie drückte ihre Zigarette aus. »Ich hätte Wijkman stärker unter Druck setzen sollen«, murmelte sie. »Dann beginnt Lindman die Ausbildung im Außenministerium, und ihm steht eine glänzende Karriere offen, aber eines Tages kommt ein anonymer Mann im Trenchcoat und stellt ihm Fragen zu diesem Kongress in Bukarest. Unser Freund Hansson hat dir versichert, dass es dabei diskret zuging, aber ich frage mich, ob das wirklich stimmt. Ich glaube nämlich, dass bei diesem Gespräch irgendetwas gesagt wurde, was Erik Lindman auf die Idee brachte, dass es in seinem Bekanntenkreis einen Spion geben musste. Einen engen Freund, vielleicht sogar seine Verlobte. Jemanden, der sich heimlich hatte anwerben lassen, während Erik Lindman sich seine Unschuld und seinen Idealismus bewahrt hatte. Und weißt du, was ich noch glaube?«
    Meijtens sah, dass ihre Augen feucht waren, als würde sie von ihrer eigenen Stimme hypnotisiert. War das das Geheimnis ihrer berühmten Fernsehreportagen gewesen?
    »Ich glaube, er begriff, dass diese Person ihn benutzte. Erik Lindman war der leuchtende Stern, dem eine Laufbahn als Diplomat offenstand. Wir dürfen nicht vergessen, dass Sonia Terselius und Carl Wijkman damals eine Juristin und ein Journalist ohne Zugang zu irgendwelchen Geheimnissen waren. Wer immer der Spion war – Erik Lindman erkannte jedenfalls, dass er selbst unwissentlich Tristans beste Quelle war.«
    »Das sind jetzt aber ganz schön wüste Spekulationen, oder?«
    »Mag sein, aber sie würden einiges erklären. Deshalb fing Lindman an, sich verdächtig zu benehmen, und deshalb verließ er das Außenministerium. Er wollte nicht länger Tristans unfreiwillige Quelle im diplomatischen Korps sein. Also kündigt er und wird Zeitungsbote. Er sucht keine offene Konfrontation mit seinen Freunden, weil er nicht weiß, wer von ihnen der Spion ist. Vielleicht traut er sich auch nicht.

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