Ein Freund der Erde
ein Ton zu ihnen, dünn und melodisch. Er sang. Ermuntert von seinem Feuer, der Wildheit dieses Ortes und dem benebelnden Duft der gefriergetrockneten Vorspeise, die er in köstlichen Bissen zum Mund führte, sang Chris Mattingly ein Lied in die hereinbrechende Nacht.
Es wurde besser, und dann wurde es schlimmer. Als Tierwater am Morgen mit einem Schmerz in der Magengrube erwachte, der sich in ihn hineinbohrte wie die stumpfe Steinspitze eines Buschmannpfeils, gelang es ihm, ein Feuer in Gang zu bringen. Er hockte davor, seine Hoden baumelten im kühlen Sand, und nährte die tänzelnde kleine Flamme, bis sie höher tanzte, in das Nest aus Borke und Zweigen, das er vorbereitet hatte, und da war es: ein Feuer. Es war ein hungriges kleines Feuer, und es fraß zufrieden alles, womit er es fütterte, bis er schließlich aus dem Verhau von Strandgut, das auf der Landzunge verstreut lag, Äste von der Größe eines Kleiderständers hervorzerrte und sie mit aller Kraft gegen die Baumstämme schlug, so daß sie den gewünschten Brennstoff in praktischen, ein Meter langen Stücken ergaben. Er wußte nicht, wie spät es war – nur daß es hell war und die Kühle allmählich wich –, und er vollführte einen nackten Luftsprungtanz des Triumphes um das Feuer, schleuderte im Sand die Füße von sich. Sie hatten Feuer. Feuer!
Während Andrea weiterschlief wie ein Stein, ihre schlaffen Glieder bedeckt von schimmelndem Laub und all den kleinen, aber raubgierigen Dingen, die darin lebten, sammelte Tierwater Brennholz. Er suchte beide Seiten des Flusses ab, wobei er immer nach Fischen, Vogelnestern oder auch Schlangen Ausschau hielt – jawohl, er würde sich erfreut, ja geehrt fühlen, ein wenig gegrillte Klapperschlange zu frühstücken –, und als die Sonne über den östlichen Kamm des Cañons geklettert war, hatte er genug Material für hundert Feuer um den Verschlag herum gestapelt. Doch er war noch nicht fertig – nein, ihre Behausung reichte nicht aus; sie machte nicht viel mehr her als der Komposthaufen eines Kleingärtners, und die ganze Nacht hindurch, während Insekten auf ihm krabbelten und Laubfragmente in seine Geschlechtsorgane drangen, was ihn vor Jucken halb wahnsinnig werden ließ, hatte er sich einen größeren, luftigeren Unterstand vorgestellt, ein Modell von Reinlichkeit und Effizienz. Etwas, worin man aufrecht stehen konnte, mit Tannenzweigen, die über weichen, sauberen Sand gebreitet waren. Der Gedanke daran ließ seine Lebensgeister erwachen und abheben, als wäre ein scharfäugiger Raubvogel seinem Körper entstiegen – ihm geradewegs aus der Kehle geflogen – und hätte sich in den Himmel emporgeschwungen. So etwas hatte er noch nie verspürt. Niemals. Und dann kroch er in die Hütte, beugte sich über seine Frau, um sie wachzuküssen. Ihr Duft erinnerte an etwas Vergärendes, wie Essig oder geronnene Milch, die auf einem feuchten Fleck ausgelaufen war, kleine Stückchen faules Laub klebten an ihren Lippen und in ihren Nasenlöchern, eine ganze Schar von Insekten hüpfte und wuselte ihm aus dem unheilbringenden Weg. »Wach auf, Baby«, sagte er und drückte seine Lippen auf die ihren, unter ihnen raschelten und zerfielen die Blätter, und sie erwachte von seinem Geruch, denn er roch nach Rauch, und sie liebten sich auf die ungestüme, heftige Weise von Tieren in der Wildnis – zum drittenmal, seit der Verschlag am vorigen Abend errichtet worden war. »Ich habe Feuer gemacht«, erzählte er ihr immer wieder, aber sie klammerte sich mit ihren großen Händen und kräftigen Armen an ihn, zog ihn mit derartiger Intensität in sich hinein, daß die Hütte nicht standhielt. Sie erzitterte, sie schwankte, sie stürzte ein, aber sie bemerkten es kaum.
Es war erotisch, dieses primitive Leben, dachte sich Tierwater – all die vielen nackten rundbäuchigen Stämme in den Dschungeln von Südamerika und Neuguinea, bloß Brüste, Lendenschurze, Penishalter, die taten es in der Hütte, auf einem Baumstamm, im Fluß inmitten des plätschernden Wassers –, doch es dauerte nur ein bis zwei Tage, bis ihm dieser Gedanke ausgetrieben wurde. Tatsache war, daß Lust Kalorien verbrauchte, und nur um Kalorien ging es letzten Endes. Sobald ihre Zellen alles Fett, Nitrat und Cholesterin verbrannt hatten, sobald sie begriffen, daß der gelegentliche Fisch, schlecht und recht auf einem grünen Stecken angegrillt, oder eine Handvoll Bärentrauben au naturel die einzige Mahlzeit des Tages darstellten – keine Butter dazu
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