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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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geboren.) Dann waren ihre Brüste frei, und sie stieg aus ihrem Slip – und reichte beides, seidig und noch warm, an Teo weiter, jenen Teo, der all das bereits kannte, von nahem und sehr persönlich. Und die übrigen? Die sahen, daß sie eine echte Blondine war, was immer sie damit anfangen mochten.
    Zaghafter Applaus erklang, dann ergriff Tierwater sie am Arm – packte sie, ehe sie eine Verbeugung machen konnte, denn er war sicher, daß das kommen würde, und Wieso nicht , hätte sie beharrt, wieso auch nicht? –, und sie kehrten der Menge den Rücken und humpelten auf Füßen, die längst nicht abgehärtet genug waren, ungelenk über eine Stelle mit feinen Granitsteinchen. Da er selbst ein Teil davon war, sah Tierwater nicht, welchen Anblick sie boten, aber an nichts erinnerte ihn die Szene so sehr wie an Raffaels Darstellung der Vertreibung aus dem Paradies. Doch das stimmte ja nicht. Vielmehr betraten sie das Paradies, oder?
    Für die nächsten drei Stunden konzentrierte sich Tierwaters Aufmerksamkeit vor allem auf den Hintern seiner Frau, obwohl die Glutaei maximi nur die hervorstechendsten aller hier bewegten Muskeln waren. Er betrachtete auch ihre Oberschenkel, ihre Waden und Knöchel und das Grübchen in ihrer Kreuzbeingegend. Ihre Schultern arbeiteten, die Arme schwangen frei im mühelosen Rhythmus ihres Gangs, und ihr Haar – frisch gewaschen, gekämmt und gefönt – hob und senkte sich, als führte es ein eigenes goldschimmerndes Leben. Er bestaunte das vollkommene Dreieck ihrer Schulterblätter, das exquisite Anspannen und Entspannen der Muskulatur ihres oberen Rückens und ihre Fersen, er liebte ihre Fersen. All das war neu für ihn, eine Offenbarung: Knochen und Muskeln, die unter der seidigen Haut auf eine Weise funktionierten, die nichts weniger als ein Wunder war. Er hatte schon eine Menge Frauen mit nackten Schultern gesehen, Frauen beim Tennisspielen und in Abendkleidern, Frauen in Badeanzügen und trägerlosen Tops, Frauen mit gar nichts an, aktive Frauen, Ballerinen und Turnerinnen, Pornoköniginnen am anderen Ende eines Zoomobjektivs und Jane bei der Geburt seiner Tochter, aber er war noch nie einer nackten Frau durch den Wald gefolgt. Das war wirklich etwas. Allerdings. Und es rührte ihn eigenartig an, die Grazie und die Perfektion in alledem, sogar noch mehr als es ihn erregte – und es erregte ihn so sehr, daß er schwer an sich halten mußte, sie nicht gleich in den Farnbüscheln am Wegesrand aufs Kreuz zu legen und sein Staunen auf die unmittelbarste und natürlichste Art auszudrücken.
    Natürlich konnte er das nicht tun. Nicht wenn Chris Mattingly in schicklichem Abstand hinter ihnen ging. Und »schicklich« war das rechte Wort – der Mann hielt eine diskrete Distanz ein, einziges Zeichen seiner Anwesenheit war das gelegentliche Schaben eines Stiefels auf Stein oder das Klappern von Kochgeschirr, das in der äußeren Tasche seines Rucksacks etwas lose gepackt war. Er – Chris Mattingly, und man stelle ihn sich als erwachsenen Pfadfinder vor, den die Marineinfanterie abgewiesen hatte, achtundzwanzig Jahre alt, knappes kurzes Haar, das um die Ohren zu fischbauchweißen Bögen kahlgeschoren war – war auch einer von Andreas Einfällen. Wir müssen einen Journalisten mitnehmen, hatte sie gedrängt. Einen neutralen Beobachter – jedenfalls neutral genug, um zu sehen, daß wir nicht schummeln. Woher sollte man sonst wissen, daß wir kein Geheimdepot mit Pökelfleisch und Schokoriegeln oder gar Filet mignon irgendwo im Wald versteckt haben – oder eine Hütte mit Satellitenschüssel? Woher sollte man sonst wissen, daß wir uns nicht einfach eine Zeitlang nach Maui verdrücken? Wir müssen das protokollieren lassen, Ty, wenn es Wirkung haben soll.
    Also würde sie Chris Mattingly einen Monat lang beschatten (dreißig Tage, ja, da es wenig Sinn hatte, Urgroßvater Knowles’ Rekord einstellen zu wollen, außerdem konnte es in diesen Bergen Anfang September schon ziemlich frisch werden). Er würde in einem Zelt auf einer Luftmatratze schlafen und sich von gefriergetrocknetem glaciertem Hummer, Muschelenchiladas und Energiemüsli ernähren, während sie beide mit Rinde und Kienäpfeln als Bettstatt vorliebnehmen mußten, Wasserkresse aus dem Schlamm kratzen und Grashüpfer und Süßwassermuscheln an einem Stecken grillen würden – falls sie überhaupt ein Feuer in Gang brachten. Stell es dir als Abenteuer vor , hatte Andrea gesagt, und das war es, das sah Tierwater sofort, die Sorte

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