Ein Freund der Erde
hinab- oder zum hungrigen Himmel emporstarrte und sich reingewaschen fühlte, kein Gedanke an Sierra, die am Lake Witcheegono im Staat New York bei ihrer Tante Phyll untergebracht war, kein Gedanke an Sheriff Bob Hicks oder das grausige Gewicht der Gefängnistür, die hinter ihm zuschlug, oder die geschäftigen Kriege der Gier und des Konsums, die mit der Regelmäßigkeit von Jahreszeiten die Welt heimsuchten.
Tierwater verlor elf Kilo, Andrea acht. Sie waren Strichmännchen, alle beide, hart und braunglänzend wie frisches Leder, und sie fanden kaum die Kraft, sich am letzten Tag ihres Exils aufzuraffen und den Cañon wieder zu verlassen. Chris Mattingly ging mit dynamischen, ausgreifenden Schritten voran, ein Mann, der tief in sich ruhte, und während des gesamten Rückwegs sprach keiner ein Wort. Der Pfad führte allmählich aus der Schlucht hinauf in höhere Lagen, und Tierwater mußte alle zehn Minuten rasten, um seine Energien zu sammeln, Andrea torkelte auf dürren Beinen neben ihm her wie eine heimliche Säuferin, über ihnen der Himmel, der sich willkürlich ausdehnte und zusammenzog, bis sie beide derart rasende Kopfschmerzen hatten, daß sie kaum noch etwas sehen konnten. Aber es war es wert gewesen, wirklich, denn als sie ankamen – bei dem großen Felsblock, wo alles begonnen hatte –, warteten dort rund fünfhundert Menschen zu ihrer Begrüßung, und sie jubelten so laut wie eine doppelt so große Menge.
Teo war da, Reporter mit Minicams und blitzenden Fotoapparaten, Kinder, Hunde, E.F.!ler, Keramik-, Kristall- und Totemverkäufer und alle Einwohner von Big Timber, angetan mit Flanellhemd und Jeans. Declan Quinn stand ganz vorn dabei, die hutzlige Kugel seines Kopfes wackelte wie ein Spielzeug an einer Schnur, und er wurde flankiert von zwei uniformierten Polizisten. »Das ist der Mann«, schnaufte er, »der da ist es«, und der Beamte zu seiner Linken – der mit dem Gesicht wie die Unterseite eines Stiefels – trat vor.
Es war witzig. Obwohl er sich zum Volksvergnügen machte, mit seinem Penishalter, den er aus Weidenrinde und Klapperschlangenhaut gefertigt hatte, ein spindeldürrer Kerl, der kaum aufrecht stehen konnte, während seine Gattin, die tausendjährige Frau, in einem primitiven Rock samt Oberteil aus geflochtenem Gras tapfer neben ihm herhinkte, obwohl jetzt alles vorbei war und sie ihn hinter Gitter bringen würden, empfand Tierwater nichts als Erleichterung. Er war gelassen wie Jesus, der nach dreißig Tagen und dreißig Nächten der Versuchung aus der Wüste Sinai zurückkehrte, und als er den kalten stählernen Griff der Handschellen spürte, die sich klickend schlossen, hätte er vor Freude weinen können.
Santa Ynez, April 2026
Und dann, eines Tages, hört der Regen endgültig auf. Da ist sie, die Sonne, zornig und sengend, an einem Himmel von der Farbe ausgebleichter Rotkehlcheneier, überall steigt Dampf auf, Wanderwelse zappeln, schon jetzt hat es dreißig Grad, dabei ist es erst acht Uhr morgens. Ich bin draußen, blinzle in das ungewohnte Licht, die Füße stecken fest im Schlick vor dem Haus, und ich sehe eine Flottille von arg zerzausten Gänsen auf dem Strom vorbeisegeln, den wir den Pulchris River getauft haben. Was ich empfinde? Den leisesten, winzigsten aufglimmenden Funken Hoffnung. So ist es. Hoffnung für die Tiere – und die haben gelitten, aber wirklich, ständig im Haus eingesperrt, keine frische Luft, ohne das Gefühl von Erde unter den Hufen und Pfoten, alles verdreckt, unregelmäßige Ernährung, kein Auslauf – und Hoffnung für mich und auch für Andrea. Mac hat versprochen, alles höher gelegen neu zu bauen, moderne Gehege und Käfige für die Tiere und einen Bunker für Andrea und mich, mit zwei Schlafzimmern, Küche und Wohnraum. Allerdings – und das ist die traurige Seite – ist es für gut ein Drittel unserer Exemplare zu spät. Die Warzenschweine sind abgetreten, alle vierzehn (eine Schweinepest, glauben wir, übertragen von den Pekaris oder auch von Chuy, aber ich bin kein Tierarzt). Lily ist ausgebüxt, die Brillenbärin hat sich vergiftet, als sie durch die Wand der Garage gebrochen ist, um einen Kanister Frostschutzmittel aufzuschlabbern, und außerdem gab es noch jede Menge anderer Katastrophen, die ich hier nicht näher anführen will.
Jedenfalls war ich um sechs Uhr auf, denn das erstaunlich jähe Umschlagen der Witterung machte sich bei mir nachdrücklich in Kreuz und Hüftgelenken bemerkbar, das Kissen klebte vor Schweiß, und meine
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