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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ein und verlagert das Gewicht auf die Knie, wobei die Plattform leise bebt. »Und warte nicht darauf, daß deine Freunde dir helfen, wir haben nämlich gerade vorhin drei von ihnen, die auf dem Weg hierher waren, festgenommen und eingebuchtet – die Anzeige lautet auf unbefugtes Betreten –, und außerdem mußte ich leider deine untere Plattform demontieren, samt deinem Essen und dem Campingkocher. Tja, Herzchen, du würdest demnach hier oben sowieso nur verhungern, also warum schmeißt du nicht einfach alles runter, was du gern mitnehmen möchtest, und dann machen wir uns auf den Weg?«
    »Okay«, sagt sie – das sagt meine Tochter: »Okay« –, und zwar so leise, daß er sie kaum hört. Aber er nickt – sie hat ja wirklich keine Wahl, sie bricht hier oben das Gesetz, und wenn nötig, könnte er sie sich einfach auf den Rücken schnallen und ihr Handschellen anlegen – und ruht sich in der Hocke aus, um ihr Zeit zu geben, das Zelt abzubauen, ihren Schlafsack einzurollen und dieses verdammte New-Age-Hippie-Schmetterlingsbild verschwinden zu lassen, das sie auf einen Leinwandfetzen gepinselt hat, als wäre das hier eine billige Wohnung in Haight-Ashbury oder so. Sierra kriecht aus dem Zelt – zwei mal zweieinhalb Meter – und erhebt sich, so daß sie über ihm steht, wenige Zentimeter von seinen gekreuzten Knöcheln entfernt, und tut so, als wollte sie an diesem Ende der Zeltbahn die Schnur lösen.
    Sie tut so. Das lenkt ihn einen Moment lang ab – er hat hier das Kommando, und sie ist nur eine dünne junge Frau mit Mondgesicht, einem Zopf wie ein Tau, dreckigen Füßen und stinkenden Kleidern –, und mehr als diesen Moment braucht sie nicht. In einer einzigen Bewegung packt sie den Ast über sich und schwingt sich empor wie ein Akrobat, ihre Füße umklammern die rutschige gewellte Rinde, und sie klettert hoch in den Wipfel, während er ihr hinterherhastet, und hier gibt es keine Sicherungsseile, weder für sie noch für ihn. »Komm zurück, du kleines Dreckstück!« brüllt er, bohrt seine Spikes in die Borke und kämpft sich hinauf. Zur Belohnung kriegt er einenHaufen Redwoodrinde, Fasern und Splitter ins Gesicht, die von ihren Füßen abgetreten wurden und ihm jetzt in Augen, Nase und Mund rieseln.
    Climber Deke ist ein Holzfäller. Ein Waldläufertyp. Er ist behende, und ihm fehlt es weder an Muskeln noch an Selbstsicherheit. Wenn sie spielen will, dann spielt er mit. Sie klettert weiter nach oben. Er auch. Was kann sie denn letztes Endes tun? Sich Flügel wachsen lassen und davonfliegen?
    Er kennt meine Tochter nicht. Sie sucht sich einen Ast und klettert darauf nach außen. Und als er diesen Ast erreicht und ihr gegenübersteht, rund drei Meter entfernt, da hält er inne. Redwoodholz neigt zum Brechen. Die Bäume werfen immer wieder Äste ab, während die Krone höher wächst und die unteren Zweige ihre Funktion verlieren. Der Ast, auf dem Sierra jetzt kauert, trägt sicher keine zwei Menschen – aus Climber Dekes Perspektive sieht es sogar so aus, als würde er auch einen nicht mehr lange aushalten. Und was sagt er, als er meine Tochter so dicht vor sich hat, gut sechzig Meter über der Erde? »Du Fotze«, das sagt er. »Du Baumschützerfotze.«
    »Nur zu«, sagt sie, »fluch, soviel du willst.« Der Regen hat zugelegt. Tief unter ihnen flitzt ein Helmspecht ( Dryocopus pileatus ) durch die Lichtbalken, breitet die Schwingen aus, dann senkt er sie mit einem hörbaren Schlag seiner harten schwarzen Federn und hebt sie wieder. »Aber auch wenn fünfzig Kerle wie du hier wären, ihr könntet mich nicht von diesem Baum herunterholen.«
    Der Regen wird noch stärker, er rinnt an den Nadeln hinab, und die furchige, spröde Rinde bahnt den Weg für zahllose winzige Bächlein und Kaskaden. Die Nässe klatscht Climber Deke das Haar an den Kopf, hängt ihm in Tropfen im Bart. Er flucht noch einmal, knapp und hart.
    »Ja, fünfzig«, faucht meine Tochter. »Ich sterbe lieber hier oben, als mich von so einem jämmerlich feigen Schlappschwanz wie dir auch nur anfassen zu lassen.«
    »Dann stirb«, sagt er. »Stirb. Wir werden diesen Baum fällen, ob du nun draufsitzt oder nicht.«
    Unsere Kündigung kommt gleich in der ersten Woche. Wir – Andrea, April Wind, Chuy, die Tiere und ich – haben das Haus innerhalb von dreißig Tagen zu räumen. Die beteiligten Parteien und ihre Juristenschwadronen haben sich auf eine Verwalterin geeinigt, und die will uns und unsere Menagerie loswerden, »um weiteren Schaden am

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