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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihren Pierce-College-Sweatshirts, die Hausfrau mit der Zackenfrisur und der verlaufenen Mascara, der arbeitslose vierzigjährige Bürobote mit Bart, Pferdeschwanz und mehreren Ohrringen, »niemand sagt ›nein‹ zu mir, weil ich dieses Wort einfach nicht mehr hören will, weder von dir noch von Fred, von niemandem. Ich fahre hin.«
    »Du bist übergeschnappt, Ty. Total übergeschnappt.« Sie machte eine Geste zu Teo, eine dringliche Handbewegung, worauf er etwas ins Telefon raunte und auflegte. »Das ist schließlich kein Witz – die da oben wollen ein Exempel an uns statuieren – an dir, denn du mußtest ja unbedingt einen Fluchtversuch unternehmen, aus einem Krankenhaus, ausgerechnet...«
    »Wo liegt das Problem?« wollte Teo wissen. Abrupt schob sich sein Gesicht zwischen Tierwaters und das seiner Frau, das Gesicht des Leberkopfs, ernst und kompromißlos. Beide blickten sie auf ihn hinab.
    Andreas Augen waren kalt wie Kristalle. »Ty will rauffahren und Sierra retten. Zeig ihm den Brief, Ty.«
    Tierwater zog die Hand hinter dem Rücken hervor, wo er sie instinktiv versteckt hatte, und hielt ihm die schlaffe Serviette hin. Teo überflog die Nachricht, während Andrea ihr Plädoyer hielt: »Ich bezweifle, daß Ty den Ernst der Lage versteht – ich meine, so könnten wir sie vollends verlieren, auf Dauer, jedenfalls, bis sie volljährig ist. Die stecken sie in irgendein Pflegeheim, bestimmt. So was geht schnell.«
    Tierwater wollte ihrer Logik nicht recht folgen. »Sie ist jetzt auch in Pflege. Bei so einem Farmer. Stellt euch mal vor! Irgendein Farmer. Scheiße, was wird das für ein Typ sein? Vielleicht ist er ein Kinderschänder oder so – sicher, natürlich ist er das. Sind sie das nicht alle?«
    Teo: »Wer, die Farmer?«
    »Diese Typen, die Kinder in Pflege nehmen. Wieso sollten sie es denn sonst tun?«
    »Komm schon, Ty – auf welchem Planeten lebst du denn? Für Geld normalerweise. Weil sie Kinder mögen. Weil sie ein soziales Gewissen haben.« Andrea drehte eines der Flugblätter in der Hand – in einer Woche würden sie eine Demo organisieren, mal wieder gegen ein Kraftwerk, in der Wüste von Arizona. »Hör zu, Ty, ich weiß, daß du gestreßt bist – sie fehlt mir genauso, und mir tut die Sache leid, sie tut mir in der Seele weh, es ist... aber du mußt die Füße auf dem Boden behalten. Fred hat sie in einer Woche frei, ganz bestimmt, vertrau mir.«
    Der Santa Ana klopfte an die Fensterscheibe, und Tierwater sah im Aufblicken Gestrüpp ( Salsola kali , Russische Distel, auch so ein Eindringling) durch den Garten wirbeln. Die drei Studenten, die einander dermaßen ähnelten, daß sie Drillinge hätten sein können, amüsierten sich über irgend etwas, ihr schnaufendes Kichern bildete einen Kontrapunkt zum Brausen des Windes draußen. »In einer Woche? Du hast doch selbst gehört, was der Richter gesagt hat.«
    »Fred kümmert sich darum.«
    »Einen Scheiß kümmert der sich. Ich fahre jetzt, das sag ich dir – falls du mitkommen willst, dann gern, aber ich fahre auf jeden Fall, ob euch das nun paßt oder nicht.« Tierwaters Stimme hatte einen Moment lang den Raum erfüllt, und den Studenten erstarb das Lachen in der Kehle. Er sah sich um. Niemand sprach ein Wort. Selbst die Telefone hatten aufgehört zu klingeln. »Wir reden hier von meiner Tochter .«
    Tierwater fuhr nicht gern Auto. Er mochte keine Schnellstraßen. Er haßte das ständige Kämpfen ums Fortkommen, bei hundertfünfzehn, hundertzwanzig, hundertdreißig, wenn die großen Sattelschlepper rechts und links an einem vorbeidonnerten wie fahrende Wände, die Abgase, den Lärm, die Hitze. Er war mit seiner neuen Braut, mit Andrea, von der Ostküste nach Los Angeles gegangen, weil sie es so wollte – und es war auch Sierras Wunsch gewesen, zumindest hatte es so geklungen. (»Hierbleiben? Du meinst, hier in Peterskill? Das meinst du wohl nicht ernst, Dad – glaubst du ehrlich, ein einziges Kind in Amerika würde nicht L.A. gegen Peterskill eintauschen?«) Er wollte sich nichts vormachen – er wollte auch weg –, und wenn auch Andrea zu ihm in das Haus gezogen war, in dem er mit seiner Tochter lebte, stand immer fest, daß sie Kalifornierin war, und sobald er seine Sachen geregelt (sprich: alles weit unter Wert verscherbelt) hatte und Sierras Ferien begannen, würden sie westwärts ziehen, als umweltbewußte, frisch gegründete Kleinfamilie. Vielleicht hätte er es anders erlebt, wären sie im Februar angekommen, wenn die Sonne weich wie

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