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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Mittag. Tierwater war zu angespannt, um zu frühstücken, Andrea mampfte geruhsam ein pappiges Käsesandwich aus dem Supermarkt und spülte es mit Cola-lite hinunter, während die Landschaft vorbeizog. Der Ort war die Gesichtslosigkeit selbst: Schnellimbißketten krochen die Hauptstraße entlang, dazwischen ein paar ältere Gebäude mit handgemalten Schildern, die Antiquitäten oder Konkursverkäufe anpriesen, alte Männer auf einer Bank, ein paar Halbstarke, die sich um ein schnittiges weißes Cabrio scharten. Andrea schlenderte in die Tankstelle und überließ die Unterhaltung ihrem knappen Oberteil, während Tierwater geduckt im Auto saß, als Holzfäller verkleidet (Jeans, Arbeitsstiefel, kariertes Hemd und eine Baseballmütze der Forty-niners). Auch der Wagen gehörte zur Tarnung: ein kackbrauner Chevy Nova, der hinten diverse Beulen an Kotflügeln, Stoßstange und Kofferraumhaube hatte; er war extra für den Anlaß ausgeliehen, von einer Mitarbeiterin der Los-Angeles-Filiale (Robin Goldman, die Hausfrau, geschieden und voller Zorn). Durch das verdreckte Fenster der Werkstatt beobachtete er Andreas Bewegungen, sah zu, wie sie sich in ihrem schwarzen Stretch-Top über die Ladentheke beugte, als hätte sie gerade die Ballettschule in Eugene absolviert, und den beiden halbwüchsigen Tankwarten wie eine Wahrsagerin die Würmer aus der Nase zog. (»Wißt ihr, die mit den Pflegekindern...« – »Ach, Sie meinen vielleicht die Billrays?« – »Na sicher, wen soll ich denn sonst meinen? Die wohnen doch irgendwo hinter der Schule, oder?« – »Mm-mh, ja, da lang, zweite rechts, Cedar Street.« – »So ein großes weißes Haus?« – »Nö, ist jetzt blau.«)
    Es war nicht so, wie Tierwater erwartet hatte – kein Bauernhof, keine Kühe, Schweine, Hühner, Ziegen, nicht mal ein Hund, nur ein großes, hübsches türkisfarbenes Haus auf einem freien Platz, der im Wald gerodet worden war. Auf der einen Seite war ein Gemüsegarten angelegt, im hohen Gras vor einem beachtlichen Maisfeld lag ein verlassener Pflug oder eine Ackerfräse, und ein geschlossener Schuppen am Straßenrand verkündete: zuckermais, tomaten, kürbisse , aber niemand, nicht einmal ein Vorstadtteenager unter schwerem Streß, würde das Haus als Farm bezeichnen. Auf der Einfahrt parkte ein gelber Subaru. In den Fenstern fing sich die Sonne und blieb haften. Nirgends war Bewegung, kein Vogel flitzte über den Rasen, kein Schmetterling flatterte über den Pfingstrosen.
    Sie fuhren zweimal daran vorbei, einmal in normalem Tempo, um nicht aufzufallen, und dann sehr langsam und zögerlich, wie die verirrten Touristen, als die sie sich ausgeben wollten. »Los, Ty«, ermunterte ihn Andrea, »jetzt stell dich schon auf die Einfahrt – wenn sie da ist, dann sehen wir sie vielleicht und können ihr ein Zeichen geben oder so. Wenn nicht, dann nicht. Müssen wir eben weitersuchen. Abgemacht? Also fahr vor das Haus.«
    In diesem Augenblick der Wahrheit stellte Tierwater fest, daß er seltsamer- und bedauerlicherweise unfähig zum Handeln war. Er hatte den Wagen auf der Asphaltstraße knapp hinter der Einfahrt abgebremst, doch als er jetzt über die Schulter sah, um ein Stück zurückzusetzen, bemerkte er, daß hinter ihm ein weiteres Auto stand. Und zwar unmittelbar hinter ihm – praktisch an die Stoßstange geklemmt. Am Steuer saß eine alte Dame – sechzig, siebzig, das war ihm alles einerlei, garantiert senil, bauschiges weißes Haar und um den Hals ein Tuch geschlungen. Sie parkte einfach da, starrte ihn durch die übergroßen Gläser ihrer Brille an, als säße sie im Autokino und wartete auf den Beginn des Films. Er winkte ihr – kommen Sie nur, fahren Sie vorbei, ich parke hier für den Rest meines Lebens –, aber sie schien die Geste nicht zu verstehen. Aus dem Augenwinkel sah er jetzt, wie sich neben dem Haus jemand bewegte, auf den Subaru zuging, ein Kind – aber nicht Sierra – und ein adrett wirkender Mann in einem kurzärmeligen weißen Oberhemd, leise fielen Autotüren zu, darauf folgte das Aufheulen des Motors. Wieder eine Gebärde in Richtung der alten Dame, aber die saß wie angewurzelt am Lenkrad ihres Wagens – ein Cadillac aus der Flossenära –, und schlimmer noch: sie blockierte die Einfahrt.
    »Was jetzt?« fragte Tierwater mit zusammengebissenen Zähnen und leiser Übelkeit imMagen; die vielen Berge von Mist dieser Welt schienen sich ausgerechnet rings um ihn aufzutürmen. Er sah zu Andrea, wollte irgend jemandem die Schuld

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