Ein froehliches Begraebnis
gegen ihn unternehmen. Alik war als erster hier eingezogen, als der jetzige Eigentümer das Haus gerade erst übernommen hatte und die Lagerräume noch nicht ganz ausgeräumt waren; die Miete, die er für die Wohnung zahlte, war inzwischen einfach lächerlich. Aber er besaß einen alten Mietvertrag, der nicht einfach geändert werden konnte.
Der Bezirk Chelsea, früher ein heruntergekommenes Fabrikviertel, von Aliks geliebtem O’Henry so treffend beschrieben, war in den letzten Jahren beinah schick geworden. Gleich nebenan lag Greenwich Village mit seinem Bohemeleben, den Musikclubs und Drogenetablissements, und der Geist der nächtlichen Vergnügungen strahlte auf die Umgebung aus, erfaßte auch die umliegenden Viertel.
In den letzten zwanzig Jahren waren hier alle Preise enorm gestiegen, die Mieten fast auf das Zehnfache, Alik aber zahlte noch immer vierhundert Dollar, und auch die nie pünktlich.
Der Vermieter wohnte in einem reichen Vorort, zuständig für alles war der »Superintendent«, eine Mischung aus Hausmeister und Verwalter. Ein Angestellter. Claude, der »super« für Aliks Haus, arbeitete schon beinah seit dessen Einzug hier. Er war eine markante Persönlichkeit, ein Halbfranzose mit verworrener Vergangenheit. In den Bruchstücken, die er hin und wieder erzählte, tauchten mal Trinidad und eine große Jacht auf, dann wieder Nordafrika und gefährliche Safaris. Wahrscheinlich war das alles Schwindel, aber es vermittelte den Eindruck, als sei sein wirkliches Leben nicht minder interessant. So dachte sich Alik eine Biographie für ihn aus: Er versicherte allen, Claude sei ein berühmter Falschspieler, habe in einem türkischen Gefängnis gesessen und sei von dort mit einem Ballon geflohen.
In der schlimmsten Zeit hatte Claude, der nicht ohne künstlerisches Interesse und philantropische Neigungen war, Alik zweimal aus der Klemme geholfen und ihm Bilder abgekauft. Es gibt auf der Welt nicht allzu viele Hausverwalter, die Bilder kaufen. Von allem anderen abgesehen, liebte Claude Nina. Manchmal kam er nur auf ein Schwätzchen vorbei, sie kochte ihm Kaffee und legte ihm sogar nach einem simplen Dame-System die Karten. Gerade in Amerika angekommen, begann Nina, die kein Wort Englisch sprach, Französisch zu lernen. Darin lag eine besondere, nur ihr eigene Idiotie. Vielleicht mochte Claude sie deshalb. Auch er hatte seine Marotten, und er war der einzige, der Nina Alik vorzog.
Claude, der normalerweise vormittags kam, bemerkte, daß es in Ninas chaotischem, ungeregeltem Leben ein Element strenger Ordnung gab. Sie stand gewöhnlich gegen eins auf und meldete sich mit schwacher Stimme. Daraufhin kochte Alik ihr Kaffee und brachte ihn ihr zusammen mit einem Glas kaltem Wasser ins Schlafzimmer. Normalerweise war das seine produktivste Zeit, und in diesen Stunden redete er nicht einmal mit ihr. Sie kam langsam zu sich, badete ausgiebig, rieb sich Gesicht und Körper mit diversen Cremes ein, die ihr eine Freundin extra aus Moskau schickte – von den amerikanischen hielt sie nichts – , und bürstete lange ihr berühmtes Haar. In ihrer Jugend hatte sie ein paar Jahre im Moskauer Modehaus gearbeitet, und diese große Zeit in ihrem Leben konnte sie nicht vergessen.
Dann zog sie ihren schwarzen Kimono an und verschwand wieder im Schlafzimmer mit irgendeiner reizenden, unsinnigen Beschäftigung, einer Patience oder einem riesigen Puzzle. Um diese Zeit pflegte Claude zu kommen. Sie empfing ihren Gast in der Küche und leerte eine fingerhutgroße Tasse Kaffee nach der anderen. Essen konnte sie noch nichts und trinken auch nicht. Sie hatte wirklich eine schwache Konstitution, selbst mit dem Rauchen fing sie erst gegen Abend an, wenn sie einigermaßen bei Kräften war, wenn sie den ersten Bissen gegessen und den ersten Schluck Alkohol getrunken hatte.
Alik arbeitete bis gegen sieben. Wenn Geld da war, gingen sie in einem der kleinen Lokale von Greenwich Village essen. Die ersten Jahre in Amerika liefen für Alik besser, damals wimmelte es noch nicht so von russischen Künstlern, er war eine Zeitlang sogar »in«.
Nina bevorzugte am Anfang ihres Lebens in Amerika alles Fernöstliche, sie ging ganz auf in dieser Schwärmerei, und sie aßen gern bei einem Chinesen oder einem Japaner. Alik kannte natürlich die ganz echten.
Auf das Ausgehen bereitete sich Nina jedesmal durch eifriges Schminken und Anziehen vor. Und nie ging sie ohne ihre blaßgraue Katze Katja mit den gelben Augen, die sie samt allen vorgeschriebenen
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