Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
Vom Netzwerk:
Bescheinigungen aus Moskau mitgebracht hatte. Katja war auch verrückt – welche normale Katze wäre imstande, stundenlang mit schlaff herunterbaumelnden Pfoten auf Frauchens Schulter zu liegen?
    Wenn abends Freunde kamen, ließen sie sich eine Pizza von unten kommen oder etwas Chinesisches aus ihrem Lieblingslokal in Chinatown, wo man sie gut kannte. Der Wirt schickte immer ein kleines Geschenk für Nina mit. Irgend jemand sorgte für Bier oder Wein; sie tranken nie viel.
    »Das liegt am Klima hier«, sagte Alik, »hier gibt’s keine Besäufnisse, nur Alkoholismus.«
    Das stimmte. In ihrem dritten Amerika-Jahr war Nina eine richtige Alkoholikerin, auch wenn sie relativ wenig trank. Aber ihre Schönheit wurde davon immer eindringlicher.
    Der Vermieter war am Vortag dagewesen, um für Ordnung zu sorgen. Er hatte Claude wegen einer Müllstrafe angeschnauzt und verlangt, Alik sofort rauszuschmeißen: Ein dreimonatiger Mietrückstand sei schließlich ein ausreichender Grund. Claude wollte die langjährigen Mieter in Schutz nehmen und sprach von Aliks furchtbarer Krankheit und seinem vermutlichen baldigen Ende.
    »Das will ich selber sehen«, beharrte der Vermieter, und Claude blieb nichts anderes übrig, als mit ihm in die fünfte Etage hinaufzufahren.
    Es war nach zehn Uhr abends, das Leben war in vollem Gange, als sie aus dem Lift stiegen. Niemand beachtete den massigen alten Mann mit dem rosigen, wettergegerbten Gesicht. Von der erwarteten tobenden Ausgelassenheit und einem russischen Saufgelage keine Spur. Eine große Gruppe saß vor dem Fernseher. Der Vermieter sah sich um. Er war lange nicht hier gewesen. Ein großartiger Raum, müßte nur ein bißchen renoviert werden, und schon konnte man dreitausendfünfhundert dafür verlangen, wenn nicht gar viertausend.
    »Er ist ein guter Maler, der Junge.« Claude wies auf die Bilder, die an der Wand lehnten. Alik hängte seine Arbeiten nicht gern auf, alte Bilder störten ihn.
    Der Vermieter warf einen flüchtigen Blick darauf. Ein Freund von ihm hatte in den zwanziger Jahren hier in Chelsea ein Hotel betrieben, eine billige Absteige, beinah eine Art Asyl, wo er alle möglichen Rumtreiber aufnahm, bettelarme Maler und arbeitslose Schauspieler; irgendwie überstand er damit die Wirtschaftskrise. Manchmal nahm er von seinen Mietern statt Geld deren Bilder in Zahlung, aus reiner Gutmütigkeit, und hängte sie ins Foyer. Jahre vergingen, und plötzlich stellte sich heraus, daß er eine Sammlung besaß, die zehn Hotels wert war. Aber das war lange her, das waren andere Zeiten, heute gab’s viel zu viele von diesen Künstlern. Nein, nein, keine Bilder, beschloß der Vermieter.
    Nina bemerkte Claude, ging ihm mit ihrem eleganten, schwankenden Gang entgegen, einen französischen Satz auf der Zunge, den sie aber nicht mehr anbringen konnte, denn Claude kam ihr zuvor: »Unser Vermieter will dich sprechen.«
    Nina reagierte mit verblüffender Geistesgegenwart, lächelte, zwitscherte etwas Unbestimmtes und rannte zu Libin. Sie umfaßte seinen Kopf und flüsterte ihm leidenschaftlich ins Ohr:
    »Da an der Tür steht der Vermieter, der › super ‹ hat ihn hergebracht. Sorg dafür, daß sie Alik in Ruhe lassen. Ich flehe dich an.«
    Libin erfaßte schnell, was los war, ging zu den beiden und sagte mit einem dümmlichen, freudigen Lächeln:
    »Sehen Sie, in Moskau ist ein politischer Putsch, wir sind etwas beunruhigt.« Es klang, als sei er der Premierminister eines Nachbarlandes.
    Dabei rückte er mit seinem Bauch immer näher auf die Männer zu und drängte sie zum Lift. Sie wehrten sich nicht. Als sie an der Tür angelangt waren, hörte er auf zu lächeln und sagte klar und deutlich:
    »Ich bin Aliks Bruder. Ich bitte um Entschuldigung für den Mietverzug, ich habe gestern alles bezahlt und garantiere Ihnen, daß eine solche Verzögerung nicht wieder Vorkommen wird.«
    Gleich brüllt dieser verfluchte Ire los, dachte Claude, aber der Vermieter sagte kein Wort und drückte den Aufzugknopf.

13
    Z wei Tage lang lief ununterbrochen der Fernseher. Zwei Tage klingelte ständig das Telefon und klappte pausenlos die Tür. Alik lag flach und wie aus Gummi da, wie eine leere Wärmflasche, war aber sehr lebhaft und behauptete, es ginge ihm viel besser.
    Wie in einem antiken Drama dauerte die Handlung schon drei Tage, und in dieser Zeit kehrte die Vergangenheit, von der sie sich mehr oder weniger endgültig abgewandt hatten, wieder in ihr Leben zurück; sie waren entsetzt, weinten, suchten

Weitere Kostenlose Bücher