Ein Garten im Winter
Knopfdruck Feuer im Kamin machte.
Wuuusch , zischte das Gas, und dann wurde es hell und warm.
»Hier.« Nina reichte Meredith einen Becher Wein.
»Ist es nicht ein bisschen spät für Wein?«
»Dazu kann ich nur sagen: Sei froh, dass es kein Tequila ist.«
Typisch Nina. Immer dramatisch.
Meredith setzte sich ans eine Ende des Sofas und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Armlehne. Nina setzte sich ans andere Ende. Ihre Füße berührten sich in der Mitte des Sofas.
»Was willst du, Nina?«, fragte Meredith.
»Meine Schwester.«
»Was soll das denn schon wieder heißen?«
»Wenn Dad arbeiten musste, bist du an Halloween mit mir von Haus zu Haus gezogen, weißt du noch? Du hast auch immer mein Kostüm gemacht. Und erinnerst du dich, wie du wochenlang mit mir geprobt hast, als ich Cheerleaderin werden wollte? Und als ich es schaffte, hast du dich für mich gefreut, obwohl du selbst nie im Team aufgenommen wurdest. Und als Sean Bowers mich fragte, ob ich mit ihm zum Abschlussball gehen würde, hast du mich vor ihm gewarnt. Vielleicht hatten wir nicht viel gemeinsam, aber wir waren Schwestern. «
Meredith hatte all das längst vergessen. Zumindest hatte sie seit Jahren nicht mehr daran gedacht. »Das war vor langer Zeit.«
»Ich bin weggegangen und hab dich allein zurückgelassen. Schon klar. Und es ist nicht leicht, mit jemandem wie Mom allein zu bleiben. Wir wissen auch nicht mehr viel voneinander, aber jetzt bin ich hier, Mere.«
»Das sehe ich.«
»Wirklich? Ehrlich gesagt, warst du in den letzten Tagen ziemlich mies zu mir. Oder vielleicht nicht mies, nur mürrisch, aber eine Frau, die beim Abendessen nicht mit mir reden will, reicht mir eigentlich schon.« Nina beugte sich vor. »Ich bin hier und vermisse dich, Mere. Es ist, als wolltest du nicht mit mir reden, mich nicht mal ansehen, ich finde –«
»Jeff hat mich verlassen.«
Nina fuhr zurück. »Was?«
Meredith konnte es nicht wiederholen. Sie schüttelte nur den Kopf und spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Er ist in ein Motel in der Nähe der Redaktion gezogen.«
»Dieser Wichser «, empörte sich Nina.
Meredith musste lachen. »Danke, dass du nicht meinst, es wäre meine Schuld.«
Nina sah sie so mitfühlend und besorgt an, dass Meredith plötzlich verstand, warum so viele Fremde sich ihrer Schwester anvertrauten. In diesem Blick zeigten sich Trost und Beistand, aber keinerlei Urteil.
»Was ist passiert?«, fragte Nina leise.
»Er hat mich gefragt, ob ich ihn noch liebe.«
»Und?«
»Ich hab nicht geantwortet«, sagte Meredith. »Ich hab einfach nicht geantwortet. Ich hab ihn auch nicht angerufen, seit er gegangen ist, oder ihm einen leidenschaftlichen Brief geschrieben oder ihn angefleht, zurückzukommen. Kein Wunder, dass er mich verlassen hat. Er meinte sogar …«
»Was?«
»Dass ich wie Mom sei.«
»Dann ist er nicht nur ein Wichser, sondern auch ein Arschloch.«
»Er liebt mich«, entgegnete Meredith. »Ich habe ihn verletzt. Das konnte ich sehen. Deshalb hat er es gesagt.«
»Wen interessieren denn seine Gefühle? Das genau ist dein Problem, Meredith, du denkst zu viel an andere. Was willst du denn?«
Diese Frage hatte sie sich seit Jahren nicht gestellt. Sie war auf das College gegangen, das sie sich hatten leisten können. Es war nicht ihr Wunschcollege gewesen. Sie hatte viel früher geheiratet als geplant, weil sie schwanger geworden war. Sie war heim nach Belije Notschi gekommen, weil ihr Dad sie brauchte. Wann hatte sie je getan, was sie wollte?
Seltsamerweise kam ihr die Anfangszeit auf der Apfelplantage in den Sinn, als sie den Andenkenladen eröffnet und mit den Dingen gefüllt hatte, die ihr gefielen.
»Du wirst das schon für dich lösen, Mere. Da bin ich mir sicher.« Nina umarmte sie.
»Danke. Wirklich, du hast mir geholfen.«
»Behalt das im Hinterkopf, wenn ich das nächste Mal was auf dem Herd anbrennen lasse oder Chaos in der Küche veranstalte.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach Meredith und beugte sich vor, um mit Nina anzustoßen. »Auf Neuanfänge.«
»Darauf trinke ich«, sagte Nina.
»Du trinkst doch auf alles.«
»Allerdings. Das ist eine meiner besten Eigenschaften.«
Die nächsten zwei Tage verschloss sich die Mutter vor ihnen. Ihre Reserviertheit verstärkte sich zu vollkommener Unzugänglichkeit. Sie kam nicht mal zum Abendessen nach unten. Nina hätte sich aufgeregt und vielleicht sogar etwas dagegen unternommen, wenn der Grund nicht so naheliegend gewesen wäre. Sie alle
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