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Ein gefährlicher Gegner

Ein gefährlicher Gegner

Titel: Ein gefährlicher Gegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eine Nachricht dagelassen?»
    Er streckte seine Hand nach dem Brief aus, aber Hersheimer steckte ihn in die Tasche. Er schien ein wenig betreten.
    «Das hat nichts damit zu tun. Es handelt sich um etwas anderes.»
    «Ach so?» Tommy sah ein wenig verwundert aus.
    «Hören Sie», sagte Hersheimer unvermittelt, «ich sage Ihnen wohl besser alles. Ich habe Miss Tuppence heute Früh gebeten, mich zu heiraten.»
    Tommy fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
    «Ich habe ihr, bevor ich den Antrag machte, gesagt, dass ich nicht die Absicht hätte, zwischen Sie zu treten.»
    «Tuppence und ich», erwiderte Tommy, «sind seit Jahren gute Freunde. Nichts weiter.» Er zündete sich eine Zigarette an, aber seine Hand zitterte dabei. «Tuppence hat immer gesagt, dass sie eigentlich einen Mann sucht, der…» Er unterbrach sich jäh und errötete.
    «Ach, es sind wohl die Dollar, die Sie meinen. Miss Tuppence hat mir gleich reinen Wein eingeschenkt. Wir werden sicher sehr gut miteinander auskommen.»
    Tommy sagte nichts. Tuppence und Hersheimer! Ja, warum nicht? Hatte sie nicht ganz offen ihre Absicht kundgetan, eine Geldheirat zu machen? Er war von einem bitteren Zorn erfüllt. Ein anständiges Mädchen würde niemals nur um des Geldes willen heiraten. Widerwärtig…
    Hersheimers Stimme unterbrach seine Gedanken. «Ja, wir müssten eigentlich gut miteinander auskommen. Ich habe gehört, dass ein Mädchen einen das erste Mal stets abweist – das ist wohl hier Tradition.»
    «Abweist? Sagten Sie: abweist?»
    «Sie hat ohne jede Begründung ‹Nein› gesagt. Aber sie wird sich’s schon noch überlegen.»
    Tommy fragte ungeniert. «Was hat sie geschrieben?»
    Hersheimer reichte ihm den Brief. Es war Tuppences vertraute Schulmädchenschrift:
     
    Es ist immer besser, etwas schwarz auf weiß, zu haben. Ich kann mich ganz einfach nicht mit Heiratsplänen befassen, s o lange Tommy nicht gefunden ist. Verschieben wir es also bis d a hin.
    Stets Ihre Tuppence
     
    Tommy reichte ihm mit leuchtenden Augen das Schreiben zurück. Seine Gefühle schlugen nun ins Gegenteil um. Kein Mädchen auf der ganzen Welt ließ sich mit Tuppence vergleichen. Wenn er sie wiedersähe… Und damit war er mit seinen Gedanken wieder am Anfang angelangt.
    «Ganz wie Sie sagen», erklärte er und riss sich zusammen, «nicht die leiseste Andeutung, was sie vorhat. He, Henry!»
    Der Junge kam sogleich herbei. Tommy holte fünf Shilling aus der Tasche. «Entsinnst du dich, was die junge Dame mit dem Telegramm gemacht hat?»
    «Sie knüllte es zusammen und warf es in den Kamin. Dabei rief sie ‹Hopp!›, Sir.»
    «Sehr anschaulich, Henry», sagte Tommy. «Da hast du deine fünf Shilling. Kommen Sie, Hersheimer. Wir müssen das Telegramm finden.»
    Sie eilten nach oben. Tuppence hatte den Schlüssel in ihrer Tür stecken lassen. Das Zimmer war so, wie sie es verlassen hatte. Im Kamin lag ein zerknülltes Stück Papier. Tommy strich es glatt und las das Telegramm.
     
    SOFORT KOMMEN, MOATHOUSE, EBURY, YORKSHIRE, VIEL GESCHEHEN – TOMMY.
     
    Bestürzt sahen sie einander an. Hersheimer sprach zuerst. «Und Sie haben es nicht aufgegeben?»
    «Natürlich nicht! Was hat es also zu bedeuten?»
    «Ich fürchte, das Schlimmste», antwortete Hersheimer. «Sie haben sie in eine Falle gelockt.»
    «Mein Gott! Was tun wir jetzt?»
    «Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ein Glück, dass sie das Telegramm nicht mitgenommen hat. Das Kursbuch!»
    Tommy schlug nach. «Da ist es. Ebury, Yorkshire. Von King’s Cross aus oder von St. Pancras. (Der Junge muss sich geirrt haben. Es war King’ Cross und nicht Charing Cross.) Zwölf Uhr fünfzig, das ist der Zug, den sie genommen hat; der Zwei-Uhr-zehn-Zug ist schon abgefahren; drei Uhr zwanzig fährt der nächste – und dazu noch ein sehr langsamer.»
    «Wie wäre es mit dem Wagen?»
    «Lassen Sie ihn, wenn Sie wollen, nachkommen, aber wir nehmen besser den Zug. Es kommt vor allem darauf an, nicht die Ruhe zu verlieren.»
    Hersheimer stöhnte.
    Tommy nickte, in Gedanken vertieft. Ein wenig später sagte er: «Warum sind sie so an ihr interessiert?»
    «Bitte? Ich verstehe nicht ganz.»
    «Ich glaube nicht, dass sie ihr etwas antun», erklärte Tommy. «Solange sie in ihrer Hand ist, sitzen sie am längeren Hebel. Klar?»
    «Völlig», antwortete Hersheimer nachdenklich.
    «Im Übrigen», fügte Tommy noch hinzu, «habe ich großes Vertrauen zu Tuppence.»
     
    Die Reise war sehr ermüdend; der Zug hielt oft und die Wagen waren

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