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Ein gefährlicher Gentleman

Ein gefährlicher Gentleman

Titel: Ein gefährlicher Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Wildes
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Besucherin bekannt vorkam, ohne dass sie der Frau einem Namen zuordnen konnte, sagte Madeline: »Guten Tag.«
    »Das Gesicht ist gelungen«, sagte die Frau anstatt einer Begrüßung, ohne den Blick vom Gemälde abzuwenden. »Aber der Körper ist total falsch. Seht Ihr, wie lang sein Hals ist, obwohl er eine Halskrause trägt? Und wie seine Hand auf dem Schwertknauf ruht? Schrecklich!«
    »Darüber habe ich noch nie nachgedacht«, gab Madeline ehrlich zu.
    Ihr Gast drehte sich zu ihr um. Madeline erkannte schlagartig, warum sie diese Frau erkannte, obwohl sie einander bisher noch nie begegnet waren. Abgesehen von den vertrauten Gesichtszügen mit den hohen Wangenknochen und der geraden Nase waren vor allem die silbrigen Augen unverwechselbar. Zwar waren sie in diesem Fall von dichten, weiblich anmutenden Wimpern beschattet. Aber es waren Lukes Augen, und wer sie auch war, sie waren sehr eng miteinander verwandt. Sie stand nicht mehr in der Blüte ihrer Jugend, war aber trotzdem noch sehr schön.
    »Ich bin Regina. Und Ihr seid Madeline.«
    Letzteres war eine überflüssige Bemerkung. Madeline räusperte sich und schaffte es irgendwie, die Worte hervorzubringen. »Schön, Euch kennenzulernen.«
    »Habt Ihr mein Geschenk bekommen?« Sie wirkte mit den halbhohen Stiefeln und dem Kleid aus dunkelgrüner Moireseide, das perfekt zu ihrem Haar passte, sehr interessant. Die Frau lächelte.
    »Geschenk?« Madeline musste zugeben, dass diese Frage sie auf dem falschen Fuß erwischte.
    Ohne eingeladen zu sein, entschied Regina sich für ein Sofa und setzte sich mit einer eleganten, katzengleichen Bewegung. »Die Skizze. Ich fand sie ziemlich gut. Ihr habt zarte Knochen. Wenn ich Euch so vor mir sehe, finde ich, mit der Skizze bin ich Euch voll und ganz gerecht geworden, obwohl ich Euch nur aus einiger Entfernung beobachtet habe.«
    »Ihr habt mich beobachtet?«
    »Operngläser haben schon ihren Nutzen.«
    Es war bei Weitem das bizarrste Gespräch, das sie in diesem Salon je geführt hatte. Madeline war unglaublich erleichtert, dass nicht Fitch ihr die Zeichnung geschickt hatte. Sie strahlte. »Ihr habt das gezeichnet?«
    »Aber natürlich. Ich bin Künstlerin.«
    »Oh, das seid Ihr tatsächlich, wenn Ihr diese Zeichnung angefertigt habt. Sie ist … bemerkenswert.« Madeline wählte einen Sessel, der Reginas Sofa gegenüberstand. Sie blickte ihre ungewöhnliche Besucherin fragend an. »Danke. Ich bin bloß nicht sicher, wie Ihr …«
    »Wie ich mir Euch nackt vorgestellt habe?« Regina lachte. Ihre grauen Augen blitzten vergnügt. »Ich habe Euch mit Luke in der Oper gesehen. Kleider sind doch bloß Staffage.«
    Luke . Sie sprach seinen Namen einfach aus. Wenn die beiden einander nicht so ähnlich wären, hätte Madeline Eifersucht verspürt.
    »Ihr hättet Euch uns anschließen können.«
    »Ich glaube nicht.« Regina verzog den Mund. »Eure Mutter wäre in Ohnmacht gefallen. Ich werde gewöhnlich nicht empfangen. Das liegt an meiner Abstammung. Wisst Ihr, wer ich bin?«
    »Nein.« Es war eine Erleichterung, das zugeben zu können.
    »Lukes ältere Schwester. Eigentlich seine Halbschwester. Ich wurde lange vor der Heirat seines Vaters und Lukes Geburt geboren, aber mein Leben stand dennoch unter keinem guten Stern. Ich war nicht unbedingt eine Peinlichkeit, aber komme dem schon ziemlich nahe. Wenn ich nicht so unkonventionell wäre, würde ich besser ins Bild der Familie Daudet passen. Aber ich bin, wie ich bin, weshalb ich als die exzentrische Tante gelte, neben der beim Dinner niemand sitzen will.«
    Diese freimütige Erklärung erstaunte Madeline. Es stimmte; ihre Haltung unterschied sich sehr von Madelines. Aber sie glaubte ihrer Erklärung, da sie Sinn ergab. »Ich verstehe.«
    »Ich glaube, man fürchtet, ich könne irgendetwas Unangemessenes sagen oder tun. Wie zum Beispiel«, eine ihrer braunen Augenbrauen hob sich, »einen Akt von der Geliebten meines Bruders zeichnen. Macht es Euch etwas aus, dass ich spontan zu Besuch gekommen bin?«
    »Natürlich nicht.«
    »Ist das eine höfliche Antwort oder eine politische? Oder gar eine ehrliche?«
    »Eine ehrliche Antwort.« Madeline meinte es so. Ihr wurde ein faszinierender Blick auf einen Teil von Lukes Leben gewährt, von dem sie nicht geahnt hatte, dass er existierte. »Bleibt doch. Soll ich uns Tee bringen lassen, oder mögt Ihr lieber Sherry?«
    »Bewundernswert, wie schwer es ist, Euch aus der Fassung zu bringen, Lady Brewer. Das gefällt mir.«
    »Mein Leben folgt

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