Ein gefährlicher Gentleman
war ein Kunstwerk mit Elfenbeinschnitzereien am Griff und exotischen Motiven bemalt: Leoparden und stürmende Elefanten. Die Ohrringe, die er ihr geschenkt hatte, baumelten von ihren Ohren und schmiegten sich elegant an die schlanke Halslinie, während die Kutsche über die kopfsteingepflasterte Straße holperte. Ihre Augen waren groß und dunkel, während sie ihn verwirrt anblickte. Ihre Verwirrung bezauberte ihn.
Gut. Sie hatte ihn zuletzt auch verwirrt, und zu sehen, dass sie seine Ohrringe trug, hatte in ihm eine unergründliche Besitzgier erwachen lassen. Als ob sie ein Symbol für ein Band waren, das zwischen ihnen bestand und das er ignorieren wollte.
Die Tatsachen waren doch im Grunde recht einfach. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, und das hatte er auch nie zu leugnen versucht. Er wusste, sie war die völlig falsche Frau für eine Liebesbeziehung, denn bei Madeline bekam das Wort Liebesbeziehung einen beängstigenden Beiklang.
Trotzdem hatte er sich darauf eingelassen.
»Ich will dich heute Nacht ganz für mich allein haben«, erwiderte er mit einer für ihn ungewöhnlichen Aufrichtigkeit. Er versuchte, ihre Reaktion abzuschätzen. »Ich folge damit einer beispiellosen Laune.«
»Du bist doch sonst nie launenhaft, Altea.«
»Probier’s ruhig aus«, forderte er sie sanft heraus.
Ihr Fächer öffnete sich ruckartig, und sie fächerte sich ostentativ frische Luft zu. »Das habe ich doch schon«, murmelte Madeline. Ihre Wimpern senkten sich provozierend. »Ich glaube, das ist der Grund, weshalb wir überhaupt erst in Schwierigkeiten gekommen sind.«
» Sind wir denn in Schwierigkeiten?« In dem Augenblick, als ihm die Frage entschlüpfte, wünschte er sich, er hätte den Mund gehalten.
»Ich weiß nicht. Etwa nicht?«
Es war ihm unmöglich, auf diese brisante Frage die richtige Antwort zu geben. Stattdessen beschloss er, sich auf einen erotisch konnotierten Schlagabtausch zurückzuziehen. »Wenn wir schon von versteckten Anspielungen reden, darf ich vielleicht anführen, wie sehr ich jenes erste Mal genossen habe, Mylady?« Er saß entspannt auf der Polsterbank und beobachtete ihre Reaktion aus halbgeschlossenen Augen. »Schließlich war es mir unmöglich, einer Wiederholung zu widerstehen. Ich hatte nicht vor, dich nach der gemeinsamen Nacht letztes Jahr noch einmal wiederzusehen.«
Das stimmte sogar.
»Darf ich wohl meiner Freude Ausdruck verleihen, dass du deine Meinung geändert hast?«
Mit diesen wenigen Worten brachte sie ihn zum Schweigen. Er freute sich seinerseits unbändig über diese neue Nähe. Und er hatte sich fest vorgenommen, dieser Freude in der kommenden Nacht besonderen Ausdruck zu verleihen. Wenn diese genussvolle Leidenschaft alles war, was ihnen blieb … Ja, dann wollte er sie in vollen Zügen genießen.
»Ich glaube, darin sind wir einer Meinung.«
»Magst du mir denn jetzt erzählen, wohin wir fahren?«
»Nein.« Er lächelte, um dem Wort die Schärfe zu nehmen. »Magst du etwa keine Überraschungen?«
»Nur angenehme.«
Er unterdrückte ein Lachen. Ihr strenger Tonfall wurde abgemildert, da in ihren Augen etwas Neugieriges aufblitzte. »Ich strebe stets danach, dir größte Lust zu schenken«, sagte er. »War ich damit bisher nicht erfolgreich?«
Sie antwortete nicht sofort, sondern betrachtete ihn weiter, ehe sie schließlich murmelte: »Du hattest damit beunruhigend großen Erfolg.«
»Soll das ein Kompliment oder Kritik sein?«
»Beides, glaube ich. Ich weiß es nicht.«
Kurz überlegte er, ob er auf die in ihrer Antwort mitschwingende Unsicherheit eingehen sollte. Aber sie wirkte im Gegensatz zu dem welterfahrenen Schnitt ihres Kleids sehr jung und verletzlich, weshalb seine Reaktion eher von zärtlicher Nachsicht geprägt war.
Die Art ihrer Beziehung war auch eine Offenbarung für ihn, denn er betrachtete sich eher als leidenschaftlichen Liebhaber, nicht als gefühlsduseligen. Bei Madeline war er beides. »Dann wünsche ich mir, du würdest mir für den Augenblick vertrauen. Wenn ich dich enttäusche, darfst du dieser Enttäuschung gerne Ausdruck verleihen. Wie wäre das?«
»Ich bin bereits sehr weit gegangen, deshalb müsstest du längst wissen, wie sehr ich dir vertraue«, sagte sie ruhig.
Ich bin bereits sehr weit gegangen …
Die Schenke befand sich außerhalb Mayfairs, was schon die Diskretion verlangte. Sie wurden bereits erwartet. Luke sprang aus der Kutsche und half Madeline heraus. Das unscheinbare Äußere des Gasthauses ließ sie unsicher zu
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