Ein gefährlicher Gentleman
saß auf dem Brunnenrand, hatte die Röcke bis zu den Knien gerafft und ihre schlanken Fesseln in das kühle Nass getaucht.
Zum Teil musste es auch an dem nachdenklichen Ausdruck auf ihrem Gesicht liegen, dass er kurz nach Luft schnappte.
War sie so gedankenversunken, weil sich zwischen ihnen ein tiefer Riss aufgetan hatte?
Jetzt lösten sich seine Hände von ihren Schultern. Er legte sie auf ihre Taille, während sie einander in die Augen blickten. Keiner sagte ein Wort. Das leise Rauschen des Wassers und das Zwitschern der Vögel waren die einzigen Geräusche.
Ich liebe dich.
Diese geflüsterten Worte klebten ungesagt an seinen Lippen, doch hallten sie wie eine Beschwörungsformel in seinem Kopf wider. Ich habe dich schon immer geliebt, auch wenn du mich ausgelacht hast. Wenn wir nicht einer Meinung waren und besonders dann, wenn du meine Schwächen mit diesem ganz besonderen Lächeln quittiert hast, von dem ich wusste, dass du es nur mir schenkst …
» Miles …«
Schamlos senkte er den Kopf. Er schmeckte seinen Namen auf ihren Lippen. Sein Mund suchte die Süße ihres Munds, fand sie, schmeckte sie.
Und dann erwiderte sie seinen Kuss. Ihre Hände legten sich flach auf seine Brust, und ihre Unsicherheit schwand, als sie spürte, wie seine Zunge vorsichtig gegen ihre Lippen drängte. Sie öffnete die Lippen, und er schlüpfte in ihren Mund, erkundete jeden Winkel, fuhr über ihre Zähne und leckte ihre Lippen. Er löste sich von ihr, aber nur kurz, um sie erneut zu küssen. Dieses Mal schlossen sich seine Arme fest um sie, sodass sie sich wie Liebende aneinanderdrückten.
Vielleicht war das für den Anfang zu viel. Sein Körper reagierte spürbar auf ihre Nähe. Sein Penis wurde hart, und er fragte sich unwillkürlich, ob sie seine wachsende Erregung spürte.
Offensichtlich. Ihre Handflächen drückten sich plötzlich in Panik gegen seine Brust. Endlich ließ er sie los, und sie stieß ihn von sich. Atemlos standen sie voreinander und starrten sich an. Sie waren nur einen halben Schritt voneinander entfernt. Nahe genug, dass er bloß die Hand nach ihr ausstrecken musste, um …
»Nicht!«, rief sie zittrig und machte einen Schritt nach hinten. Ihre grauen Augen wirkten riesig. »Was tun wir hier?«
»Das war ein Kuss.« Miles vermutete, dieser Kuss habe ihn mehr erschüttert als sie, doch er gab sich Mühe, möglichst ungerührt zu wirken. Vielleicht war sein Gesicht aber auch nur erstarrt wie der Rest seines Körpers.
»Ich weiß, was das war. Ich meine … ich weiß, das war ein Kuss, verflucht, aber ich weiß nicht, was dahintersteckt.«
Echte Ladys fluchten nicht, aber da er ihr das Wort selbst beigebracht hatte, war es kaum angebracht, sie auf ihren Ausrutscher hinzuweisen. Elizabeth stand tief errötet vor ihm. Ihr Haar war in Unordnung geraten, sie war barfuß und wütend. Ihre Hände krallten sich in den Stoff ihres Kleids. Ganz ruhig, weil er sich schon so lange danach verzehrt hatte, ihr seine Gefühle zu gestehen, sagte er: »Es ist das, was du dir immer gewünscht hast.«
»Verzeiht, wenn ich euch unterbreche. Miles, auf ein Wort?«
Die scharfe, kalte Stimme ließ den Augenblick zerschellen und riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Miles drehte den Kopf und bemerkte Luke, der wenige Schritte entfernt stand. Unwillkürlich schnappte er nach Luft. Naja, was hatte er auch erwartet? Der Garten war von den hinteren Fenstern des Hauses gut zu überblicken, und Lukes Arbeitszimmer befand sich auf dieser Seite. An einem Tag wie diesem standen die Fenster zweifellos offen.
Elizabeth wirkte noch immer sichtlich verwirrt, als ob sie ihren Bruder nicht gehört hatte. Sie starrte Miles nach wie vor an, als würde sie ihn zum ersten Mal in ihrem Leben sehen.
Während Luke in unmittelbarer Nähe stand und sie missbilligend beobachtete, musste Miles sich bremsen, um sie nicht wieder in den Arm zu nehmen. »Natürlich.«
Luke ging an ihnen vorbei und passierte die Stelle, wo Elizabeth die Strümpfe und ihre Schuhe neben dem Brunnen abgelegt hatte. Er hob sie auf und gab sie ihr. »Du möchtest das hier bestimmt mitnehmen.«
»Ich bleibe.« Sie ignorierte die Kleidungsstücke und blickte ihren Bruder trotzig an, obwohl ihre Wangen mit roten Flecken übersät waren. »Wenn du jetzt den Vortrag eines erbosten Beschützers vom Stapel lassen willst, sollte ich mir das auch anhören, oder?«
»Nein.« Ihr Bruder nickte bloß Richtung Haus und drückte ihr die Sachen in die Hand. »Nicht, solange du nicht
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